Gender in Forschungsprojekten

Wann ist ein Forschungsprojekt genderrelevant und muss die Genderdimension im Projektinhalt berücksichtigen?

  • Wenn die Forschung oder Entwicklung von Produkten, Prozessen oder Verfahren auf spezifische bzw. unterschiedliche Anwender:innengruppen ausgerichtet ist.
  • Wenn Personen oder Personengruppen Forschungsgegenstand in einem Forschungsprojekt sind.
  • Wenn Personen oder Personengruppen nicht Gegenstand der Forschung sind, diese jedoch von den Ergebnissen der Forschung im Alltag und Beruf betroffen sind.

Viele Forschende stehen immer wieder vor der Frage, wie und ob überhaupt ihre Forschung Genderthemen berührt. Im Zentrum der Frage nach der Relevanz von Gender für ein bestimmtes Forschungsthema sollten primär Bemühungen stehen, die wissenschaftliche Aussagekraft und Qualität, aber auch deren sozialen Impact maximal zu erhöhen. Geschlechtersensible Forschung bedeutet sowohl auf eine Geschlechterbalance im Forschungsteam zu achten, als auch für das Thema Gender in der Forschung sensibilisiert zu sein und die möglichen Auswirkungen auf die Forschungspraxis zu berücksichtigen.

Prominente Beispiele für den Einfluss von Gender auf Forschung sind beispielweise die Erkenntnisse der immer bedeutsamer werdenden Gendermedizin. Diese hat gezeigt, dass auf den männlichen Körper standardisierte Medikamente und daraus resultierende Dosierungs- und Nebenwirkungsrichtlinien, nicht auf alle Personengruppen übertragbar sind und daher oft unerwünschte Effekt erzeugen. Darüber hinaus hat sie auch gezeigt, dass die Symptome und deren Wahrnehmung ebenfalls mit dem Geschlecht – seinen biologischen Besonderheiten, aber auch seinen anerzogenen sozialen Rollen – zusammenhängen können (etwa Herzinfarkt).

Ebenfalls relevant wird Geschlecht in der Entwicklung von Technologien, die von unterschiedlichen Geschlechtern unterschiedlich genutzt werden. Ein prominentes Beispiel ist die Modellierung und Fahrzeugsicherheit: Studien an Crash-Test-Dummies, welche primär männlichen Proportionen und Körperkonfigurationen nachempfunden worden waren, haben zur Folge, dass Autounfälle für Frauen im Durchschnitt häufiger zu starken Verletzungen führen und öfter tödlich enden.

Für Forschende ist es daher wichtig, eine strukturierte Reflexion der Dimension Gender in ihre Forschung zu integrieren. Geschlecht spielt im gesamten Forschungszyklus eine wichtige Rolle und kann mit einigen angeleiteten Fragen systematisch bearbeitet werden:

 

Was ist ein gendergerechtes Forschungsdesign?

Ein gendergerechtes Forschungsdesign berücksichtigt Genderaspekte im gesamten Verlauf eines Forschungsprojekts dort, wo sie relevant sind. Dabei geht es z. B. um die Definition der Forschungsfragen und -hypothesen, die gesteckten Ziele, die Methodik, die Dissemination und Verwertung:

Vorbereitung

Entwickeln Sie geschlechtersensible Ideen für Forschungsprojekte und stellen Sie geschlechtersensible Forschungshypothesen auf:

  • Wenn die Forschung Menschen einbezieht bzw. wenn Produkte und Dienstleistungen entstehen, die von Menschen genutzt werden sollen: Ist die Relevanz von Gender für das Forschungsthema analysiert worden?
  • Wenn die Forschung nicht direkt Menschen einbezieht, sind die möglicherweise differenzierten Beziehungen von Männern und Frauen zum Forschungsgegenstand hinreichend klar?
  • Haben Sie Literatur und andere Quellen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Forschungsfeld gesichtet?

Antragsphase

Geschlechtersensible Forschungsfragen formulieren, ein gemischtes Team zusammenstellen (mit Personen aller Geschlechter), geschlechtergerechte Arbeitsbedingungen schaffen, eine geschlechtersensible Methodik wählen:

  • Stellt die Methodik sicher, dass (mögliche) geschlechtsspezifische Unterschiede untersucht werden, das heißt, dass während des gesamten Forschungszyklus geschlechtsspezifisch differenzierte Daten erhoben und analysiert werden und in die abschließende Veröffentlichung einfließen?
  • Erläutert der Vorschlag ausdrücklich und umfassend, wie geschlechtsspezifische Fragen behandelt werden?
  • Wurden mögliche unterschiedliche Ergebnisse und Auswirkungen der Forschung auf Personen aller Geschlechter berücksichtigt?

Forschungsphase

In der eigentlichen Forschungsphase ist es wichtig, die Wertschätzung der Arbeit von Männern und Frauen, sowie anderer Personengruppen und die Gleichstellung der Geschlechter sicherzustellen. Darüber hinaus werden die geschlechtsbezogenen Überlegungen und Parameter im Forschungsprozess umgesetzt:

Sind die Fragebögen, Erhebungen, Fokusgruppen usw. so konzipiert, dass potenziell relevante geschlechtsspezifische Unterschiede in Ihren Daten aufgedeckt werden können? 
Sind die an dem Projekt beteiligten Gruppen (z. B. Stichproben, Testgruppen) geschlechtsspezifisch ausgewogen? 
Werden die Daten nach der Variable Geschlecht analysiert? Werden andere relevante Variablen in Bezug auf das Geschlecht analysiert (z.B. sozioökonomische Faktoren, algorithmischer Bias etc.)?

Verbreitungsphase

Geschlechtsspezifisch berichten und die verwendete Sprache reflektieren:

  • Werden in den Analysen Statistiken, Tabellen, Abbildungen und Beschreibungen präsentiert, die sich auf die relevanten geschlechtsspezifischen Unterschiede konzentrieren, die im Laufe des Projekts zutage traten?
  • Gehören Institutionen, Abteilungen und Zeitschriften, die sich mit Gender befassen, ebenso zu den Zielgruppen für die Verbreitung wie Mainstream-Fachzeitschriften?  
  • Haben Sie eine spezielle Veröffentlichung oder Veranstaltung zu geschlechtsspezifischen Ergebnissen in Betracht gezogen?

 

Wissenswertes zu Gender in Forschungsprojekten

 

Beispiele für die Genderdimension in Forschungsprojekten

 

Die Förderung von Forschungsinhalten unter besonderer Berücksichtigung von Gender- und Diversitätsdimensionen wird zukünftig direkt über die Ausschreibungen in den Themen des BMK erfolgen. Dafür wird die Genderdimension in Zielen bzw. Schwerpunkten von ausgewählten thematischen Ausschreibungen des BMK verankert. Die bisher geförderten FEMtech Forschungsprojekte leisteten wertvolle Sensibilisierungs- und Überzeugungsarbeit. Nun wird die Förderung von Forschungsprojekten mit Gender- und Diversitätsdimensionen in die thematische Breite ausgerollt und in den Mainstream gebracht, daher sind aktuell keine weiteren spezifischen Ausschreibungen von FEMtech Forschungsprojekten geplant.