Vom Reststoff zum Wertstoff

Baustart für eine neue Pilotanlage in Wien-Simmering, an der die Verwertung von Reststoffen zu umweltfreundlichen und CO2-neutralen Kraftstoffen demonstriert wird.

Am Standort der Sondermüllverbrennungsanlage von Wien Energie wird von BEST – Bioenergy and Sustainable Technologies eine neuartige Prozesskette zur Erzeugung und Nutzung eines wasserstoffreichen Synthesegases im Industriemaßstab umgesetzt. Gebaut wird die Anlage von der SMS Group.

Computermodell der neuen Anlage. Foto: SMS Group

Computermodell der neuen Anlage.
Foto: SMS Group

Das COMET Kompetenzzentrum BEST arbeitet zusammen mit dem Institut für Verfahrenstechnik der TU Wien seit Jahren an der Weiterentwicklung der Zwei-Bett-Wirbelschicht-Technologie zur Gaserzeugung, die bislang nur mit Holz als Brennstoff großtechnisch umgesetzt wurde. Am Standort Wien-Simmeringer Haide wird nun eine 1 MW Pilotanlage verwirklicht, an der auch der Einsatz von Reststoffen in industrienahem Maßstab beforscht und demonstriert werden soll. Die Anlage ist die zentrale Schlüsseltechnologie für eine Reihe nachfolgender Verwertungsmöglichkeiten für das mit der Anlage hergestellte Synthesegas. Die verschiedenen Verwertungspfade zu erneuerbarem CO2-neutralem Diesel (Fischer-Tropsch (FT) Kraftstoff) und Kerosin; gemischten Alkoholen; synthetischem, grünem Erdgas und grünem Wasserstoff bilden allesamt Elemente der Dekarbonisierungsstrategie der  Stadt Wien ab. Für den Anlagenbauer SMS Group, einem der Weltmarktführer im Anlagenbau für die Stahlindustrie, ist es der Einstieg in eine neue Technologie, um in seinen Kernmärkten eine Ergänzung zur strombasierten Bereitstellung von Wasserstoff als Energieträger und Reduktionsmittel für die Stahlproduktion anbieten zu können.

Im Zuge des 9 Mio. € COMET-Projektes „Waste2Value“ (frei übersetzt: Wertschöpfung aus Abfall) wird die Nutzung von Reststoffen vorangetrieben, aus denen ein wasserstoffreiches Synthesegas erzeugt wird. Reststoffe wie Klärschlamm, Rückstände aus der Papierindustrie sowie Mischungen mit Schadholzsortimenten stehen dabei im Fokus. In einem weiteren Verfahrensschritt wird das Gas zu flüssigen Kraftstoffen synthetisiert. Im Rahmen des noch bis 2023 laufenden COMET-Projektes wird die Anlage errichtet und entsprechende Betriebserfahrungen gesammelt. Die gesamte Prozesskette – vom Rohstoff, über die Gaserzeugung, die Gasreinigung, die Gasaufbereitung, die  Synthesen,  bis  hin  zur Aufbereitung und Einsatz des FT-Kraftstoffes in einem Flottenversuch der Wiener Linien – ist Gegenstand der Forschungsarbeiten von „Waste2Value“.

Es handelt sich bei der Anlage um die weltweit erste Anlage dieser Art, mit der diese Technologie in einer einzigen, industrienahen und durchgehenden Prozesskette demonstriert wird. Die Ergebnisse des Projekts ermöglichen die wirtschaftliche und technische Beurteilung des Gesamtverfahrens und stellen die Grundlage für die geplante Umsetzung in einem größeren industriellen Maßstab durch Wien Energie dar.

Der Baustart für die Anlage erfolgte am 17. September 2020. Die Inbetriebnahme der Anlage ist für den Frühling/Sommer 2021 geplant. Die Projektleitung hat das Kompetenzzentrum BEST inne. Neben den Firmenpartnern Wien Energie und SMS Group, sind auch Heinzel Paper, Wiener Linien GmbH, Wiener Netze GmbH und die Österreichischen Bundesforste am Projekt beteiligt. Als wissenschaftliche Partner werden die TU Wien und die Luleå University of Technology am Projekt beteiligt sein.

Das Projekt wird von der FFG aus dem COMET Kompetenzzentren-Programm mit Mitteln des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) und des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) gefördert.
 

Vielseitige Einsatzmöglichkeiten des Synthesegaserzeugers

Die Technologie ermöglicht es, über einen thermischen Umwandlungsprozess aus Reststoffen ein sogenanntes Synthesegas zu erzeugen, welches wiederum in verschiedene Energieträger wie grüne Kraftstoffe, grünes Gas und grünen Wasserstoff umgesetzt werden kann. Sind die eingesetzten Ausgangsstoffe erneuerbaren Ursprunges (Holz, Restholz, Klärschlamm, biogene Abfälle, …) so sind auch die Endprodukte zu 100% erneuerbar. Es ist aber auch denkbar, nicht erneuerbare Reststoffe (z.B. Plastikreste, die nicht recyclebar sind) zuzusetzen und so auch solche fossile Ausgangsstoffe mehrfach zu nutzen, ganz ähnlich wie dies beispielsweise auch beim Papierrecycling der Fall ist.

Die große Bandbreite an möglichen Endprodukten macht die Technologie dabei extrem flexibel: Einerseits können nachhaltige Treibstoffe für Transportsektoren bereitgestellt werden, in denen Batterien nur schwer zum Einsatz kommen können (zB Landwirtschaft, Fernverkehr, Flugverkehr), andererseits kann auf Basis der selben Technologie auch grünes Gas für das Erdgasnetz oder grüner Wasserstoff für zukünftige Mobilitätslösungen oder industrielle Anwendungen erzeugt werden.

Insgesamt ist mit der Technologie der thermochemischen Synthesegaserzeugung eine sehr interessante Technologie vorhanden, die großes Potential hat, ein zentraler Bestandteil für die zukünftige „Green Economy“ zu werden. Insbesondere für das waldreiche Österreich.

„Forschende und Unternehmen leisten mit der Entwicklung neuer Technologien einen wirksamen Beitrag, um den digitalen und nachhaltigen Wandel innovativ zu gestalten. Wir unterstützen sie dabei gezielt, u.a. mit dem Spitzenforschungsprogramm COMET, das den enormen Mehrwert der Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zeigt“, so Bundesministerin Margarete Schramböck (BMDW). Die neue Pilotanlage des COMET-Zentrums BEST in Wien-Simmering decke dabei die gesamte Prozesskette ab und trage auch  dazu bei, „hochwertige Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen“.

„Beim Kompetenzzentrum BEST ist der Name Programm – sie liefern ‚Technology at its BEST‘“, so die beiden Geschäftsführer der FFG, Henrietta Egerth und Klaus Pseiner. Sie  nehmen dabei im Bereich Bioenergie, biobasierter Ökonomie und zukunftsfähiger Energiesysteme eine Vorreiterrolle ein. „Gemeinsam mit innovativen Unternehmen und engagierten Forscherinnen und Forschern wie am COMET-Zentrum BEST wird uns der Aufschwung durch Innovation gelingen“, so die beiden FFG-Geschäftsführer.

Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie: „Wien Energie erzeugt seit Jahrzehnten aus Abfall umweltfreundlichen Strom und Wärme für tausende Haushalte – und künftig vielleicht auch grünen Treibstoff! Wir freuen uns, den Standort Simmeringer Haide für diese wichtige Forschung zur Verfügung stellen zu können und uns mit unserer Expertise im Bereich der Abfallverwertung einzubringen. Gemeinsam mit den Partnern erforschen wir hier die Herstellung von Synthesegas sowie in einem weiteren Schritt die Produktion von grünem Diesel, grünem Erdgas oder auch grünem Wasserstoff. Diese Erzeugnisse sind wesentliche Bausteine für ein klimaneutrales Energiesystem der Zukunft. Die Industrie-Pilotanlage bereitet den Weg für einen Einsatz dieser Technologie in der Praxis.“

Herbert Weissenbaeck, Leiter Strategische Projektentwicklung, SMS group GmbH: „Für die SMS group stellt die geplante Demonstration der effizienten Gewinnung hochwertiger synthetischer Treibstoffe und Reduktionsmittel aus einem breiten Band an Reststoffen mittels Wirbelschicht-Synthesegaserzeugung einen weiteren wichtigen Meilenstein bei der Anpassung  unserer Technologiepalette an die zukünftigen, vielfach durch Dekarbonisierungserfordernisse  getriebenen Bedürfnisse der Kunden in unseren Kernmärkten dar. Im Bereich der  Wasserstofferzeugung sehen wir vor allem auf der Umsetzungskostenseite unter den passenden Rahmenbedingungen eine potentiell sehr gute Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen, von uns parallel verfolgten Technologiepfaden.“

Walter Haslinger, CEO / CSO, BEST – Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH: „An unserem neuen Standort Wien-Simmering entsteht in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern ein Syngas-Forschungs- und Demonstrationshub von Weltformat. Wir investieren heute in jene Infrastruktur, die mittel- und langfristig für die angewandte Forschung zur Dekarbonisierung der Energiebereitstellung, zur Kopplung der Verwertung von  Biomasse  und  Reststoffen mit dem erneuerbaren Stromsektor und zur Herstellung grüner Grundstoffe für die chemische Industrie von zentraler Bedeutung ist. Kurzfristig stellt der Syngas-Hub das verfahrenstechnische Reality Lab für die Umsetzung der Dekarbonisierungsstrategie der Gemeinde Wien dar.“

Kontakt

BEST – Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH ist ein K1 Kompetenzzentrum des COMET Programmes, das die vorwettbewerbliche industriebezogene Forschung im Bereich Bioenergie vorantreibt und innovative Technologien und Systemlösungen sowohl für eine nachhaltige biobasierte Ökonomie, als auch für zukunftsfähige Energiesysteme erforscht.

Best – Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch BMK, BMDW, und die Länder Steiermark, Niederösterreich und Wien gefördert.

Dr. Markus Luisser, Area Manager Wirbelschicht-Konversionssysteme,
Tel.   +43 5 0238-9351, markus.luisser@best-research.eu

Dr. Walter Haslinger, Geschäftsführung BEST
Tel: +43 5 0238-9200, walter.haslinger@best-research.eu

Mag. Claudia Peternell, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, BEST
Tel. +43 5 023789207, claudia.peternell@best-research.eu

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