Die Energiewende proben – (wie) geht das?

Die Entwicklung von integrierten, regionalen Energiesystemen spielt bei der Transformation des Energiesystems eine Schlüsselrolle. Das Klimaschutzministerium führt 2021 einen Fachdialog, bei dem InitiatorInnen und TeilnehmerInnen in Reallaboren, Living Labs, Sandboxes etc. über ihre Erfahrungen berichten und mit ExpertInnen offene Fragen diskutieren.

Das Thema wird auch in der aktuellen 8. Ausschreibung „Stadt der Zukunft"  im Subthema 2.4 - Vorbereitung von Reallaboren (B): 100 % Erneuerbare Energie – Reallabore für Österreich behandelt. 

 

Inhaltsbeschreibung

Bis 2030 soll Strom in Österreich vollständig und Wärme weitgehend auf erneuerbare Energien umgestellt sein. Dazu müssen neue Wärme- und Kältelösungen etabliert werden, die Windkapazität etwa verdreifacht und die Fotovoltaik-Kapazität etwa verzehnfacht werden. Die kombinierten Strom-Wärme-Lösungen (sog. Sektorkopplung) und die physische und digitale Einbindung erneuerbarer Energien in die Strom- und Wärmenetze müssen weitgehend umgesetzt sein. Die Entwicklung von integrierten regionalen Energiesystemen spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Der Umbau der Energieinfrastruktur und der Steuerungsprozesse wird zu einem großen Teil dezentral in den Regionen erfolgen. Dabei muss sichergestellt werden, dass Menschen und Regionen an der Energiewende und an der Wertschöpfung im zukünftigen Energiesystem teilhaben können und diese Transition aktiv mitgestalten. Nur so kann eine hohe Akzeptanz bei den BürgerInnen erreicht werden. Die Forcierung der gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen (Bürgerenergie) sowie des „gemeinschaftlichen Eigenverbrauchs" in der Region kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Energiewende proben das Reallabor als Idee

Eine Idee wird aktuell vielerorts diskutiert und auch versucht in die Tat umzusetzen: Man könnte (und müsste) doch die Energiewende eigentlich proben und den Umgang mit neuen Lösungen trainieren und testen, bevor man in die breite Umsetzung geht. Die Überlegungen dahinter sind etwa folgende:

Wenn etwas in großem Stil eingesetzt werden soll, muss man es vorher auch in ähnlichem Umfang erproben. Das bedeutet, dass neue Technologien und Lösungen schrittweise in größeren Formaten getestet werden müssen. Ziel dabei ist, dass diese schließlich praktisch angewandt und in vielen verschiedenen Lebensbereichen eingesetzt werden. Dieses Hochskalieren ist insbesondere dann eine Herausforderung, wenn es um ein komplexes System geht, in dem auf vielen verschiedenen Ebenen unterschiedliche Akteure zusammenarbeiten. Also ein System, in dem neue Technologien im Zusammenspiel funktionieren müssen, in dem verschiedene Organisationseinheiten und Infrastrukturen zusammenwirken und in dem auch „der Faktor Mensch" eine zentrale Rolle spielt. So ein komplexes System ist das künftige Energieversorgungssystem.

Ein „Reallabor" ist im Verlauf des Hochskalierens sozusagen der letzte Schritt vor der Umsetzung. Der ultimative Praxistest für das, was rein technisch schon machbar ist: Hier werden innovative Technologien in einem realen Umfeld zusammengebracht, in realem Maßstab erprobt und auch Systemwechselwirkungen beobachtet. Ein Reallabor deckt ganze Wertschöpfungsketten ab – von der Erzeugung über die Speicherung bis hin zu Transport und Nutzung von Energie. Es geht also nicht um Einzelprojekte, sondern darum, wie das Zusammenspiel der Elemente des regionalen Energiesystems funktioniert (unterschiedliche Erzeugungsanlagen und Energieformen, Quartiere und Energiegemeinschaften, Netze-Verbraucher-Speicher etc.). Unterschiedliche Regionen in Österreich haben dabei unterschiedliche Voraussetzungen für den Einsatz der verschiedenen erneuerbaren Energietechnologien. Aber auch die Struktur der Verbraucher und der Infrastrukturen von Energienetzen bis zu Gebäuden  ist beispielsweise in landwirtschaftlich dominierten Regionen, Industrieregionen oder Alpenregionen unterschiedlich.

Geht denn das in der Praxis wirklich? Und wenn ja, wie?

In der praktischen Umsetzung solcher Reallabore stellen sich naturgemäß einige Fragen und es treten Probleme auf, für welche konkrete Lösungen gefunden werden müssen.

So liegt es zum Beispiel keineswegs auf der Hand, wie man im heutigen Energiesystem eine Testsituation im realen Umfeld schaffen kann, die Gegebenheiten im zukünftigen Energiesystem vorwegnimmt und modellhaft abbildet. Wo findet man z. B. eine räumliche Dichte von Fotovoltaikanlagen, die es ermöglicht, mit der zukünftigen Herausforderung der Netzintegration aktiv zu arbeiten? Oder kann man versuchen, eine solche Situation in einem abgegrenzten Gebiet gezielt herzustellen? Wie kann man Elemente der Sektorkopplung oder Speicher im realen Umfeld testen, wenn es für deren Einsatz noch weder einen Markt, noch klare Spielregeln gibt?

Weitere Fragen stellen sich im Hinblick darauf, wer Interesse hat mitzumachen, und auf die Möglichkeiten der Einbindung von Nutzern. Kann man einem Bürger oder einer Bürgerin zumuten, in einer „Testregion" zu leben? Was passiert, wenn etwas nicht funktioniert immerhin wollen wir ja neue Systeme testen? Sind Betreiber von Gebäuden und anderen Infrastrukturen oder Gewerbebetriebe bereit mitzumachen? Was macht man mit den entstehenden Mehrkosten? Wer ist bereit, in das gemeinsame Lernen zu investieren und unter welchen Bedingungen? Auch Fragen der Technologiewahl und Ausstattung sind zu beantworten. Wer stellt die Geräte, Software und Hardware dafür bereit? Gibt es die überhaupt schon, so wie wir sie brauchen, oder muss etwas Neues entwickelt werden? Was brauchen wir überhaupt bzw. welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?

Am Ende wollen wir etwas Bestimmtes dabei herauskriegen. Zum Beispiel Modelllösungen für bestimmte typische Regionen, oder die beste Lösung für unsere eigene Region, und so weiter. Wer stellt sicher, dass die richtigen Fragen zur richtigen Zeit gestellt und dann auch zielstrebig beantwortet werden? Wer arbeitet heraus, was der erste, zweite und nächste Schritt ist, der gemeinsam gemacht werden soll? Wie können wir von anderen lernen, die etwas Ähnliches versuchen? Vielleicht in einer anderen Region in Österreich, vielleicht aber auch zum Beispiel irgendwo in Deutschland oder Schweden? Wie organisieren und finanzieren wir diese Dienstleistungen?

Fachdialog 2021

Das Klimaschutzministerium beabsichtigt im kommenden Jahr dazu einen Fachdialog zu führen, bei dem InitiatorInnen und TeilnehmerInnen in Reallaboren, Living Labs, Sandboxes und ähnlichen Unternehmungen über ihre Erfahrungen berichten und mit weiteren Experten und Expertinnen offene Fragen diskutieren. Dazu sind Workshops, Seminare und andere Dialogformate geplant. Ziel ist es, einen gemeinsamen Überblick zum Stand des Wissens über die Planung und Umsetzung von Reallaboren zu gewinnen und Schlussfolgerungen für die weitere Umsetzung in Österreich zu ziehen.

Wenn Sie Interesse an einer Teilnahme und an weiteren Informationen haben, registrieren Sie sich bitte. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Zielgruppe

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Große Unternehmen (GU), Universitäten, Fachhochschulen, Forschungseinrichtungen, (Gemeinnützige) Vereine, Gebietskörperschaften