#Success-Story: Schwarmintelligenz für die Industrie 4.0

Das Zusammenspiel von Robotern, Maschinen und Produktionssystemen in modernen Fabriken gleicht Organismen in einem Schwarm. Die Kärntner Lakeside Labs GmbH widmet sich in mehreren Projekten der Modellierung dieser Abläufe und beschreitet damit neue Wege für die Optimierung der Produktionsschritte.

Bei der industriellen Produktion denken manche Menschen noch an Förderbänder und lineare Prozesse. Doch die Wirklichkeit in vielen Unternehmen ist hochkomplex geworden. In der Halbleiterindustrie etwa werden oft mehr als 1.500 Produkte in rund 300 verschiedenen Prozessschritten hergestellt. Dabei ist die Abstimmung einer hohen Zahl von Maschinenschritten in einer Breite von 400 bis 1.200 verschiedenen Stationen erforderlich. Solche Prozesse lassen sich weder linear darstellen noch können diese zeitnah optimiert werden.

Einen möglichen Ansatz zur Berechnung solcher Systeme bieten Schwarmalgorithmen, ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz (KI). Denn die faszinierende Interaktion von Ameisen und Bienen, aber auch die schwarmähnlichen Abläufe in Hormonsystemen und wucherndem Pilzgewebe lassen sich mathematisch darstellen und auf diese Problemstellung modellieren. Was es bringt, mit solchen Schwarmalgorithmen die Prozesse in Industrieunternehmen nachzubilden, hat die Kärntner Forschungsorganisation Lakeside Labs von 2018 bis 2021 im Projekt SWILT – Swarm Intelligence Layer to Control Autonomous Systems anhand der Abläufe im Infineon-Werk in Villach untersucht. Projektpartner von Lakeside Labs waren die Infineon Technologies Austria AG, das Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme der Universität Klagenfurt und die Novunex GmbH als Software-Partner. Das Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren wurde im Rahmen des FFG-Programms „IKT der Zukunft“ mit rund 1 Mio. Euro gefördert.

Mit Schwarmalgorithmen cyber-physische Systeme optimieren

„Cyber-physische Systeme sind Hardwaresysteme, die mit Intelligenz ausgestattet sind. Wir bei den Lakeside Labs betrachten da vor allem Drohnen, Bodenroboter, autonome Fahrzeuge, aber eben auch Maschinen und Produkte, die sich in einer Fabrik befinden und mit Intelligenz ausgestattet sind“, sagt Projektleiterin Melanie Schranz. „Für das Schwarmverhalten interessant ist die Kombination aus Hardware und Software, die lokal agiert und lokale, selbstorganisierte Entscheidungen treffen kann.“

Das SWILT-Team vor den Lakeside Labs, Foto: Lakeside Labs

Forschungsziel von SWILT war der Nachweis, dass Schwarmalgorithmen, wenn sie auf lokalen Agenten – also einzelnen Maschinen, Produkten oder als virtuelle Prozesse – ausgeführt werden, intelligent auf dynamische Veränderungen in der Produktionsumgebung reagieren können. Dass es also möglich ist, die komplexen Produktionsabläufe mit solchen Algorithmen zu optimieren. – Dieses Ziel wurde erreicht. „Die Simulationen ergeben, dass die Gesamtleistung eines großen Produktionsplanungssystems im einstelligen Prozentbereich verbessert werden kann, was für eine große Fabrik einen erheblichen finanziellen Gewinn bedeutet“, führt Projektpartner Wilfried Elmenreich vom Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme an der Universität Klagenfurt aus.

Folgeprojekte widmen sich Ressourcen-Optimierung

Aufbauend auf die Projektergebnisse von SWILT vertieft das Team der Lakeside Labs in weiteren Projekten seine Kenntnisse: Gemeinsam mit dem Kärntner Fraunhofer-Innovationszentrum KI4LIFE werden im Rahmen des EFRE-React-Projekts „ML&Swarm“ Möglichkeiten zur Verschränkung der beiden wichtigsten KI-Ansätze untersucht, nämlich maschinellem Lernen (ML) und Schwarmalgorithmen. Und im SWILT-Folgeprojekt „SwarmIn“, das im Herbst 2022 starten wird, widmet sich Lakeside Labs gemeinsam mit der Universität Klagenfurt, der Novunex GmbH, der Wirtschaftsuniversität Wien und Infineon Technologies Austria AG als Industriepartner der Modellierung von Schwarmalgorithmen in der Halbleiterproduktion. Ein wichtiger Schwerpunkt von SwarmIn liegt auf der Mensch-Maschine-Interaktion und auf der Optimierung des Ressourcen- und Energieeinsatzes in der Produktion.

Fördergelder für die Erkundung von Forschungs-Neuland wichtig

„Für die Lakeside Labs als Non-Profit-Organisation wäre die Finanzierung solcher komplexen Projekte sehr schwierig, noch dazu, weil wir hinsichtlich der Anwendung absolutes Neuland betreten,“ unterstreicht Melanie Schranz die Bedeutung der FFG-Förderung für Projekte wie SWILT und SwarmIn. Die Projektabwicklung mit der FFG sieht die IT-Wissenschaftlerin als sehr positiv: „Wir arbeiten auch bei anderen Projekten mit der FFG zusammen und sind die Abfolgen und Anforderungen schon gewohnt. Die Kommunikation ist einfach und unkompliziert.“ Auch bei SWILT gab es einige Anforderungen in der Projektbeschreibung, die für sich genommen aufwendig waren, aber langfristig neue Perspektiven eröffnet haben. Schranz: „Wir mussten zum Beispiel darstellen, welche bestehenden europäischen Initiativen zu SWILT passen und wo mögliche Synergien verfolgt werden können. Da gab es Punkte, die uns in der Folge bei neuen Projekten und neuen Anträgen weitergeholfen haben, die wir auf EU-Ebene gerade zusammenstellen. Das bedeutet, man hat von solchen Anforderungen bei der Projektbeschreibung auch einen Mehrwert,“ zieht die Forscherin ein positives Resümee der Antragstellung.

Weitere Informationen zu SWILT und SwarmIn

Dr. Melanie Schranz, Lakeside Labs

Dipl.-Ing. Dr. Melanie Schranz
Senior Researcher

Lakeside Labs GmbH
Lakeside B04b
9020 Klagenfurt
M: +43 660 55 99 469
E:
schranz@lakeside-labs.com
https://www.lakeside-labs.com/