Laura Bassi 4.0 Online-Veranstaltung der Laura Bassi 4.0 Arbeitsgruppe "Partizipative Entscheidungen digital fällen"

Bericht zur Online-Veranstaltung am 18.11.2021:
Partizipative Entscheidungen in Organisationen digital fällen

 

Wie kann ein gemeinsamer Wissensstand als Grundlage für partizipative Entscheidungen geschaffen werden? Wie kann Digitalisierung dafür genutzt werden? Und wie müssen digitale Werkzeuge beschaffen sein, um faire partizipative Entscheidungsprozesse zu ermöglichen? Zu diesen Fragen gab Max Harnoncourt, Geschäftsführer von factline Webservices GmbH und Vorstand von Liquid-Participation e.V. einen interessanten Input in der Online-Veranstaltung am 18.11.2021.

Digitale Partizipation bietet große Chancen, da diese den Beteiligten ermöglicht, sich zeit- und ortsunabhängig zu informieren und auch den gleichen Wissensstand zu erlangen. Darüber hinaus führt der gleiche Wissenstand aller Beteiligten zu effizienteren Entscheidungen, die eine Basis für die weitere Zusammenarbeit einer Gruppe schaffen können. Der digitale Raum kann also eine gute Entscheidungsgrundlage bieten, wobei hier die Frage, welche Kriterien die Infrastruktur dafür erfüllen muss, zu beachten ist.

Max Harnoncourt zeigte bei der Veranstaltung wesentliche Kriterien für die digitale Infrastruktur auf: Bei der Auswahl und Entwicklung der digitalen Werkzeuge sollte man ein klares Bild vom Entscheidungsprozess haben um beurteilen zu können, ob das Tool diesen Prozess gut unterstützt. Die Auswahl des Tools ist maßgeblich für die Qualität der Entscheidung, die getroffen wird. Der Einstieg in das Tool muss überlegt werden: Viele Leute steigen aus Entscheidungsprozessen aus, weil sie nicht mehr ins Tool einsteigen können. Sie haben z.B. das Passwort vergessen, oder der Einstieg ist zu kompliziert. Jedenfalls sollten Phasen des Ideen Sammelns und Ideen Bewertens getrennt sein, sodass alle Beteiligten an jedem Schritt teilnehmen können. Auch die Nachrichtendichte an die Beteiligten ist ein zentraler Faktor.

Viele Teilnehmende wünschen sich neben online- auch offline-Aspekte der Beteiligung. Hier ist mitzudenken, wie sich on- und offline-Aspekte überschneiden und wie diese kombiniert werden können (z.B. Chatverläufe ausdrucken, Visualisierungen, etc.). Um Leute zu motivieren, Ideen zur Verfügung zu stellen, sollte Anerkennung gewährleistet sein, z.B. kann man Autor:innenschaft sichtbar machen. 

Insgesamt ist auch zu beachten, auf welchen Ebenen der Partizipation man Teilnehmende wie einbezieht, da dies ist auch mit unterschiedlich hohem Aufwand verbunden ist. Die erste und einfachste (Vor-)Stufe beschränkt sich auf reine Information der Teilnehmenden. Sobald Personen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, sollten die Grundlagen dabei klar kommuniziert werden, was mit Ergebnissen des Prozesses passiert. Prozesse in welchen Teilnehmende an Inhalten mitarbeiten sind aufwändig und benötigen viel Betreuung. Auch die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns des Prozesses nimmt mit der Intensität zu. Dies passiert auch häufig dann, wenn die Entscheidung von den Einbezogenen nicht mitgetragen wird.

Gleich welche Formen der Partizipation und Entscheidungsfindung eingesetzt werden: Es braucht eine digitale Infrastruktur die den Prozess entsprechend unterstützt. 

In der auf den Input folgenden Diskussion wurden zunächst v.a. unterschiedliche Formen der Partizipationspyramide diskutiert. Diese von Max Harnoncourt im Rahmen seiner Arbeit für die Bildungsakademie NEOS-Lab entwickelte Pyramide "Ebenen der Partizipation" zeigt unter anderem, inwiefern Aufwand und Risiko je nach Partizipationsebene zunehmen:

"Die Abbildung "Ebenen der Partizipation" zeigt in Form einer Pyramide unterschiedliche Ebenen der Partizipation. Als Stufe 0 beinhaltet der Sockel der Pyramide „PR & Mobilisieren“ als Basis für Partizipation, um bei den Stakeholdern Interesse zu wecken, sich zu involvieren. Darauf aufgebaut sind die vier Ebenen der Partizipation: Information (Stakeholder mit Evidenz versorgen), Konsultation (Bedürfnisse, Ideen und Sichtweisen dialogisch austauschen und erheben), Mitbestimmen (Einbinden bei Entscheidungen) und Mitarbeiten (Inhaltliche Mitarbeit zulassen). Die Spitze, die fünfte Stufe der Pyramide, ist „Autonomie“. Diese Stufe bedeutet eigenständiges Agieren in definiertem Rahmen und geht über Partizipation hinaus."
(c) Max Harnoncourt
(c) Max Harnoncourt

 

Diskutiert wurde auch die Herausforderung, mit einer großen Zahl an Ideen umzugehen. Man könnte z.B. bei der Eingabe von neuen Ideen die Möglichkeit nutzen, auf bestehende Ideen mittels Verlinkung (Hypertext) Bezug zu nehmen. Damit könnten häufig zitierte Ideen höher bewertet werden (Ranking) als Beiträge, die sich nicht die Mühe gemacht haben, den eigenen Input in Kontext mit bestehenden Ideen zu setzten. Rankingmechanismen müssen aber transparent gemacht werden, damit Beteiligte auch den Ergebnissen vertrauen können. Eine weitere Herausforderung für digitale Entscheidungstools ist die Barrierefreiheit.