#SuccessStory: Quantensensorik für die Leistungselektronik

Im Forschungsprojekt „QSense4Power“ untersuchte die Silicon Austria Labs GmbH mit einem spezifischen Mikroskopaufbau, ob sich Punktdefekte in Siliziumcarbid-Leistungselektronikbauteilen prinzipiell als Quantensensor eignen.

Ein hauchdünner Laserstrahl trifft auf einen Mikrochip aus Siliciumcarbid, er initialisiert den Spin-Zustand eines Punktdefekts, der anschließend durch das Anlegen von Mikrowellen manipuliert werden kann. Kann man aus den erhaltenen Signalen Rückschlüsse auf vorhandene Magnetfelder und elektrische Felder oder auf mechanische Spannung und Temperatur im Chip ziehen? Wenn ja, dann hätte man einen Quantensensor zur Hand, der direkt aus dem Bauteil heraus Rückschlüsse über die Eigenschaften des Chips liefert, der zum Beispiel in Schnellladesystemen oder Photovoltaik-Invertern zur Anwendung kommt. Dieser grundlegenden Forschungsfrage ging ein Team vom Silicon Austria Lab, Standort Villach, im FFG-geförderten Projekt „QSense4Power“ nach.

Die Quantensensorik ist ein Teilgebiet der Quantenforschung. Sie macht sich Fehlstellen – sogenannte Defekte – in der Atomstruktur von Materialien wie Diamant oder Siliciumcarbid (SiC) zunutze, die für Halbleiter eingesetzt werden. Mit der räumlich hochaufgelösten 3D-Analyse der Defekte könnten direkt im Bauelement essentielle Daten für das Temperaturmanagement in Halbleitern gemessen werden, um die Leistung zu optimieren. „Es gibt in Europa einige Forschungsgruppen, die versuchen eine derartige Sensorik von Grund auf zu entwickeln“, erklärt Projektleiter Gerald Auböck. „In unserem Projekt sind wir aber den umgekehrten Weg gegangen: Wir sind von den existierenden Halbleiter-Bauteilen ausgegangen, die uns von Infineon zur Verfügung gestellt wurden, und haben geschaut, ob sich in diesen Elementen Punktdefekte finden, und ob wir sie als Quantensensor nutzbar machen können.“ 

Mikroskop für spezifische Anwendung

Zur Untersuchung der Strukturen im Mikrometerbereich musste erst ein Mikroskop für die spezifische Anwendung entwickelt und aufgebaut werden. Dazu wurden eine Laserlichtquelle sowie Radioantennen für Frequenzen im geeigneten Bereich rund um 80 Megahertz eingesetzt. Bereits im Vorgängerprojekt „QSensor4Life“ hatte das Team des Forschungsbereichs „Photonic Systems“ der Silicon Austria Labs Punktdefekte in Halbleitern auf Diamant-Basis untersucht. Neben Diamant gehört das nun in „QSense4Power“ in Augenschein genommene Siliciumcarbid zu den wichtigsten und vielversprechendsten Materialien in diesem Teilgebiet der Quantensensorik. 

Mit diesem Mikroskop wurden Punktdefekte in Mikrochips aus Siliciumcarbid untersucht. Foto: Silicon Austria Labs GmbH

Im Rahmen des über zweieinhalb Jahre laufenden Forschungsprojekts zeigte sich, dass sich die untersuchten Punktdefekte in SiC nachweisen lassen – wenn auch sehr viel schwächer als in Diamant. Aufschlussreich sind bei den Messungen die Unterschiede zwischen Lumineszenz-Signalen, die mit bzw. ohne Radiofrequenz erfasst werden. „Der Unterschied, der gemessen werden kann, ist typischerweise weniger als ein Promille – während bei Diamant die Unterschiede mehrere Prozent betragen können“, führt Gerald Auböck aus. „Punktdefekte in SiC-Bauteilen sind also erkennbar und können prinzipiell für Sensorik-Anwendungen genutzt werden, die erhaltenen Signale sind aber sehr klein. Und natürlich gibt es noch viele offene Enden, wo man weiterforschen kann – z. B. andere Defekttypen, die man untersuchen kann.“

Gut aufgestellt dank grundlagennaher Forschung

Auch wenn sich die Forschungsergebnisse nicht unmittelbar verwerten lassen, ist es für den Physiker überaus wichtig, sich mit grundlegenden Fragen der Quantensensorik befassen zu können – auch um für die Zukunft strategisch gut aufgestellt zu sein. Auböck: „FFG-Programme sind sehr wertvoll für die F&E-Arbeit, weil man bei diesen Projekten tiefer gehen kann, als das bei direkten Industrieprojekten möglich ist, wo in der Regel die Verwertbarkeit an erster Stelle steht. Daher sind die Förderprogramme der FFG und anderer Institutionen sehr hilfreich, weil sie uns die Möglichkeit geben, strategische Themen für die Zukunft zu erarbeiten und uns in diesen Feldern gut aufzustellen, um später auch in diesen Bereichen Projekte direkt für die Industrie zu machen.“

Profitiert hat das Forschungsteam aber auch von der Zusammenarbeit mit dem Industriepartner Infineon, der einer der Weltmarktführer für SiC-Halbleiterbauelemente ist, sowie mit den Forschungspartnern T.I.P.S Messtechnik GmbH und vor allem der Universität Wien, die ihre führende wissenschaftliche Expertise auf dem Gebiet der Quantensensorik in das Projekt einbrachte.

Ein Gyroskop für autonome Flug- und Fahrzeuge

Die Silicon Austria Labs GmbH (SAL) ist Österreichs Spitzenforschungszentrum für elektronikbasierte Systeme. An den Standorten Graz, Villach und Linz arbeiten aktuell über 300 Mitarbeiter:innen an zukunftsweisenden Lösungen für Umweltschutz, Gesundheit, Energie, Mobilität und Sicherheit. SAL bringt dabei wesentliche Akteure aus Industrie und Wissenschaft und damit wertvolle Expertise und Know-how zusammen und betreibt kooperative, anwendungsorientierte Forschung entlang der Wertschöpfungskette. Der Forschungsbereich Photonic Systems ist einer von 18 Forschungsbereichen der SAL. Er konzentriert sich auf die Entwicklung von Systemlösungen, die sich Photonen entlang des gesamten optischen Spektrums zunutze machen, mit besonderem Schwerpunkt auf den UV- bis zum mittleren IR-Bereich, d. h. von 200 nm bis 25 µm. Aktuell läuft in diesem Forschungsbereich u. a. das FFG-geförderte Projekt GIRAFFE (Gyroskope für autonome Flug- und Fahrzeuge): Ziel ist die Entwicklung von Quantengyroskopen, die auf der Messung von Kernspins von Punktedefekten in Diamanten basieren. Dies ermöglicht eine stabile und präzise Navigation für das autonome Fahren der nächsten Generation.

Kontakt zum Projektteam QSEnse4Power

Silicon Austria Labs GmbH
Dr. Gerald Auböck, Principal Scientist | Photonic Systems
High Tech Campus Villach
Europastraße 12
9524 Villach
E-Mail: gerald.auboeck@silicon-austria.com
https://silicon-austria-labs.com/forschung