Forscherin zu sein, ist wie ein riesiges Puzzle zu lösen.

HOW SHE DID IT: Dr. Anna-Dorothea Gorki

In unserer Reihe “HOW SHE DID IT” holen wir Expertinnen aus der angewandten Forschung und Innovation vor den Vorhang. Die vorgestellten Frauen sind Teilnehmerinnen und Alumnae des INNOVATORINNEN Leadership-Programms 2023. Dr. Anna-Dorothea Gorki widmet sich der Entwicklung von antiviralen Therapien, insbesondere im Bereich der Atemwegsinfektionen. Im Interview teilt sie ihre Bestrebungen, den Schnupfen effektiv zu behandeln. Sie spricht über die faszinierende Herausforderung, als Forscherin komplexe Rätsel zu lösen, und den einzigartigen Moment, wenn sie als einzige Person auf der Welt neues Wissen in den Händen hält.

Alter: 33

Ort/Bundesland: Wien

Beruf/Funktion/Unternehmen: Chief Scientific Officer bei G.ST Antivirals

 

Bei der Entwicklung von antiviralen Therapien hat sich Dr. Anna-Dorothea Gorki sowohl auf die Behandlung von saisonalem Schnupfen als auch auf schwerwiegende Infektionen wie beispielsweise SARS-CoV-2, den Auslöser der Covid-Pandemie, fokussiert. Ihr erstes Produkt, ein Nasenspray, soll erstmals eine nachgewiesene, effektive Behandlung gegen Schnupfen ermöglichen.

Ihre Mission besteht darin, die Schwere von Viruserkrankungen in den Atemwegen zu reduzieren oder idealerweise Infektionen wirksam vorzubeugen. Der Ansatz von Dr. Anna-Dorothea Gorki und ihrem Team unterscheidet sich durch die neuartige Methode, bei der nicht direkt gegen die Viren vorgegangen wird, wie es bisher häufig der Fall war. Stattdessen entziehen sie den Viren die Bausteine, die sie aus den menschlichen Zellen zur Vermehrung nutzen. Diese Strategie richtet sich gegen eine breite Palette von Viren, einschließlich solcher, die Erkältungen verursachen, im Gegensatz zu bisherigen Methoden, die sich auf spezifische Virentypen konzentrieren. Dieser innovative Ansatz könnte einen Durchbruch in der Behandlung von viralen Infektionen bewirken.

 

Was willst du damit bewirken? 

Die Bedeutung von dringend benötigten antiviralen Therapien wurde besonders durch die Corona Pandemie stark in den Vordergrund gerückt. Dabei wird schon am Beispiel des Schnupfens deutlich: für gesunde Erwachsene ist Schnupfen nicht lebensbedrohlich, aber natürlich äußerst lästig. Für Menschen mit Atemwegserkrankungen jedoch kann ein Schnupfen im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden. Und dass es bis heute keine nachgewiesene wirksame Therapie gibt, ist doch erstaunlich. Es liegt also noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns.

Wie setzt du das um? 

Zusammen mit einem fantastischen Team arbeiten wir seit Anfang 2020 als Spin-off der Medizinischen Universität Wien daran, unser Produkt stetig weiterzuentwickeln. Einen riesigen Meilenstein konnten wir dieses Jahr erreichen, indem die erste klinische Studie unseres Nasensprays erfolgreich abgeschlossen wurde. Jetzt beschäftigen wir uns natürlich intensiv mit den nächsten Schritten, einer klinischen Phase 2, sowie verschiedenen neuen antiviralen Kandidaten.

Was ist dein persönlicher Antrieb als Forscherin?

Ich war schon immer sehr neugierig und bin jedes Mal wieder erstaunt, wie viele Möglichkeiten es gibt, wissenschaftliche Fragestellungen anzugehen und mit den unterschiedlichsten Experimenten zu beantworten. Es fühlt sich jedes Mal so an, als ob es ein riesiges Puzzle zu lösen gilt und das macht definitiv den Reiz aus.

Es ist auch etwas Besonderes, wenn du die Ergebnisse von einem Experiment in den Händen hältst und für einen kurzen Augenblick die einzige Person auf der Welt bist, die dieses Wissen hat. Trotzdem habe ich nach meiner Zeit als Doktorandin und Postdoktorandin die Gelegenheit ergriffen und in ein Start-up gewechselt, um noch näher dabei zu sein, wenn aus Grundlagenforschung ein Produkt entsteht.

Wofür stehst du als Forscherin? 

Für Genauigkeit, Transparenz und Offenheit, nicht nur im Umgang mit Daten, sondern allgemein mit Arbeitsweisen im Labor. Gerade in einem Start-up ist es essentiell, dass das Team gut zusammenarbeitet und ein gemeinsames Ziel vor Augen hat. 

Welche Learnings bzw. Karrieretipps möchtest du anderen Frauen mit auf den Weg geben? 

  • Traut euch! Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommt in der Rolle als CSO in einem Start-up. Aber ich bin froh, dass ich die Veränderung gewagt habe. Es war und ist eine steile Lernkurve, aber das ist auch das, was besonders Spaß macht. 

  • Vernetzt euch! Das gilt nicht nur als Vernetzung mit anderen Frauen, sondern auch mit Leuten, die in ähnlichen Situationen waren oder sind. Man lernt immer etwas Neues und die meisten Leute helfen wirklich gern bzw. teilen ihre Erfahrungen.

  • Seid beharrlich! Für mich hat es sich häufig ausgezahlt, wenn ich nach einer ersten Absage beharrlich geblieben bin und die Leute überzeugen konnte, mir z.B. einen Praktikumsplatz zu geben oder eine Kollaboration zu starten.

Was waren die 3 Faktoren, die dich am meisten vorangebracht haben? 

  • Unterstützung durch mein Umfeld (Familie, Partner, Freund:innen, Mentor:innen)

  • Ausdauer

  • Gelassenheit

Wie bist du dorthin gekommen, wo du heute stehst? 

Auf jeden Fall durch harte Arbeit, das wird wahrscheinlich jeder Forscher/jede Forscherin unterschreiben können. Sicher hatte ich auch das Glück am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein, aber dann auch Gelegenheiten zu ergreifen, wenn sie sich bieten und sicher zu sein, dass es immer irgendwie weitergeht. 

Welche Herausforderung hast du gemeistert?

Die größte Herausforderung war sicher die Umstellung von einer Position an der Universität zu einer leitenden Rolle im Start-up Bereich. Leider wird man während des Doktoratsstudium bzw. danach im Postdoktorand:innenbereich viel zu wenig auf eine Team-führende Rolle vorbereitet. Ich hoffe, dass dies in Zukunft mehr Beachtung findet.

Was bedeutet es für dich, Leaderin bzw. Gestalterin zu sein? 

Ein Arbeitsumfeld zu schaffen, an dem jede und jeder seine Position findet und weiß, dass ihre/seine Arbeit geschätzt wird. Für mich ist es wichtig, Kompetenzen anderer zu entwickeln und zu fördern. Zudem möchte ich gerne eine Vorbildfunktion einnehmen für nachkommende Forscher:innen. Daher sind Studierende ein beständiger Teil unserer Firma.

Was ist deine Vision? 

Meine Vision besteht darin, dass die Bedeutung der Wissenschaft in der Öffentlichkeit erkannt und unterstützt wird. Hierbei spielen Kommunikation und Transparenz entscheidende Rollen, die hoffentlich künftig sowohl personell als auch finanziell besser gefördert werden.

Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in Forschung und Innovation an die Spitze kommen? 

Ich hoffe, dass durch mehr Frauen an der Spitze auch mehr junge Frauen in verschiedenen Positionen nachkommen und eine Sogwirkung entsteht. Programme, die Nachwuchs-Forscherinnen fördern, sind extrem wichtig und hilfreich, weil sie Anreize schaffen, Wege einzuschlagen, die ansonsten nicht in Betracht kämen. Ein wichtiges Anliegen ist für mich auch, die Vereinbarkeit von Familie und Karriere zu verbessern. Da macht Wien sicher schon einiges richtig, aber es könnte noch so viel mehr getan werden!

Was konntest du dir aus dem INNOVATORINNEN Leadership-Programm mitnehmen?

Ich konnte vom starken Netzwerk an beeindruckenden Frauen profitieren, die voller Motivation beeindruckende Projekte bearbeiten oder ins Laufen gebracht haben. Und trotzdem fanden alle immer Zeit bei Fragen zu helfen, zu unterstützen und Verbindungen aufzubauen. Einige „Werkzeuge“ und Herangehensweisen aus den Workshops konnte ich bereits in verschiedenen Situationen als Team-Leaderin einsetzen.

Was hast du gelernt oder erfahren, das du vorher noch nicht wusstest? 

Ich wurde mir klar darüber, wie wichtig Kommunikation ist und mir wurde noch mehr bewusst, was ich vermitteln möchte, wem ich etwas vermitteln möchte und wie ich es vermittle.

Wo willst du noch hin? 

Wenn es nach mir geht, ist der Schnupfen in fünf Jahren Geschichte und wir können uns weiteren Infektionskrankheiten widmen. Bis dahin, freue ich mich jetzt in naher Zukunft erstmal auf meine neue Rolle als Mutter und die ganzen Herausforderungen, die damit einhergehen ☺

Dr. Anna-Dorothea Gorki (Foto: FFG/Jana Mack)

 

Kontakt

Mag. Charlotte ALBER
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Dr. Lisa OBEREDER MSc
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