Ich bin klarer, selbstbewusster und hörbarer geworden!

HOW SHE DID IT: Mag. Jutta Wörtl-Gössler

In unserer Reihe “HOW SHE DID IT” holen wir Expertinnen aus der angewandten Forschung und Innovation vor den Vorhang. Die vorgestellten Frauen sind Teilnehmerinnen und Alumnae des INNOVATORINNEN Leadership-Programms 2023. Mag. Jutta Wörtl-Gössler entwickelt alternative Modelle für den kommunalen Wohnungsbau und hat das "Stadtumbau-Kollektiv" ins Leben gerufen, das sich durch eine vernetzte Herangehensweise an die Stadttransformation auszeichnet. Im Interview verrät die kunstschaffende Architektin, wie sie in ihrer Karriere mit Nachdruck, Ausdauer und Entschlossenheit vorangekommen ist, warum abgelehnte Förderanträge sie nicht von ihrem Kurs abbringen und welche besondere Gelegenheit sie dazu inspiriert, mit dem Bürgermeister zu tanzen.

Alter: 56

Ort/Bundesland: Wien

Beruf/Funktion/Unternehmen: Architektin, Forscherin, Kunstschaffende und CEO bei “Räume für Menschen”

 

 

Mag. Jutta Wörtl-Gössler ist Kunstschaffende und Expertin auf dem Gebiet der Architekturplanung. Sie widmet sich der Forschung und Umsetzung von Projekten im Bereich Stadtumbau und Gebäudesanierung mit Fokus auf Energietransformation und nachhaltigem Material- und Ressourceneinsatz. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Konzept des Re-Use, also der Wiederverwendung von vorhandenen Materialien. 

Die Alumna des INNOVATORINNEN Leadership-Programms entwickelt zudem alternative Modelle für den kommunalen Wohnungsbau. Im Rahmen des von ihr ins Leben gerufenen "Stadtumbau-Kollektivs" setzt sie auf eine holistische Herangehensweise an die Stadttransformation. Im Gegensatz zur herkömmlichen Praxis, bei der Expert:innen isolierte Lösungen entwickeln, strebt das von Jutta Wörtl-Gössler gegründete Kollektiv vernetzte Lösungen an. 

 

Was willst du damit in der Wirtschaft/Gesellschaft bewirken? 

Ziel ist es, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen zu fördern, während gleichzeitig die aktuell stark steigenden Wohnkosten reduziert werden. Dies soll durch die Verbesserung der Qualität des öffentlichen Raums und die klimafreundliche Umgestaltung der Stadt erreicht werden. Ein Ansatz hierbei ist die Schaffung von grünen Stadtwäldern in Form von Baum-Alleen, in denen rückgebaute Bachläufe zusätzliche Kühlung bieten. Ein weiterer Fokus liegt auf Sparsamkeit und Reduktion, indem der Material- und Energieverbrauch sowie die damit verbundenen Emissionen und Kosten verringert werden. Dabei ist es entscheidend, die Menschen in den Stadtumbau einzubeziehen, um sie für eine aktive Beteiligung zu gewinnen und die Politik zu einer zielgerichteten Umsetzung zu bewegen. Ein konkretes Beispiel für dieses Konzept ist mein Gartenprojekt in der Wolfganggasse, das seit 13 Jahren erfolgreich eine unattraktive Gasse in einen lebendigen Garten verwandelt.

Wie setzt du das um? 

Dabei helfen mir Kontakte aus früheren Forschungsprojekten und Expertinnen, die ich im Netzwerk der INNOVATORINNEN kennengelernt habe und die zu Freundinnen wurden. Die größte Herausforderung ist derzeit für mich, Aufträge und Finanzierungen für das Kollektiv zu akquirieren. Zur ungewohnt breiten Arbeitsweise des Kollektivs besteht (noch) nicht die passende Auftraggeber:innen-Struktur. 

Wofür stehst du als Forscherin? Wofür setzt du dich ein? 

Wichtig sind mir die Anwendung und reale Umsetzungen der Forschungsergebnisse. Die Forschung hilft, Lösungen zu optimieren, die Umsetzung zeigt rasch, ob sie sich auch in der Praxis bewähren. Diese Qualität unterscheidet meine Art zu arbeiten fundamental von „reiner Forschung“. Außerdem setze ich mich auch für kollektives Arbeiten mit anderen Expert:innen und die frühzeitige Einbeziehung von Stakeholdern und Akteur:innen ein: Bewohner:innen integriere ich aktiv durch künstlerische Prozesse in das Bau- oder Sanierungsprojekt. Je mehr Köpfe nachdenken, desto dichter und unerwarteter gestaltet sich die Lösung. Die daraus gewonnene Selbstwirksamkeit macht mich zutiefst zufrieden.

Was ist deine Vision? 

Die Vorstellung, dass die Wirtschaft wachsen muss, wirft die Frage auf: Wohin führt dieses Wirtschaftswachstum? Müssen nicht Ressourcen zerstört werden, damit Wachstum überhaupt möglich ist? Wenn wir jedoch im Kreis denken, den Prinzipien des Re-Use folgen und unsere Städte klimafreundlich weiterentwickeln, können wir Ressourcen schonen. Besonders im einfühlsamen Stadtumbau erkenne ich vielfältige, oft wenig geschätzte Themen und Aufgaben, die von Frauen übernommen wurden und werden – Bereiche, die sich intensiv mit Wohnen und Gesellschaft auseinandersetzen. Diese kleinteiligen Herausforderungen bieten eine faszinierende Perspektive.

Wie bist du dorthin gekommen, wo du heute stehst? 

Ich verfolge meine Ziele mit Nachdruck, Ausdauer und Entschlossenheit. Im Austausch mit anderen Menschen, insbesondere solchen, die nicht mit meinem Fachgebiet vertraut sind, erlebe ich eine spürbare Faszination für das Thema. Der Funke springt über, und Fachleute unterstützen meine innovativen Lösungen nachdrücklich. Trotz dieser positiven Resonanz stoße ich auf eine Herausforderung: Etwa 80 Prozent meiner Förderanträge werden nicht genehmigt. Die zentrale Erkenntnis dabei ist, dass ein sofortiger Beginn des innovativen Umbaus notwendig ist, wenn Wien bis 2040 klimaneutral werden soll. Wir stehen für einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Stadtumbau. Meine Vermutung ist, dass viele meiner Einreichungen deshalb abgelehnt werden, weil unser praktischer Ansatz im Konflikt mit theoretischen Konzepten steht. Es besteht die Notwendigkeit, den Blick auf eine zeitnahe und praxisorientierte Umsetzung zu lenken, um die gesteckten Klimaziele effektiv zu erreichen.

Welche Learnings bzw. Karrieretipps möchtest du anderen Frauen mit auf den Weg geben? 
Bildet Frauengemeinschaften, aber seid euch bewusst, dass diese anders als Männer-Seilschaften funktionieren. In meiner Büropartnerschaft mit meiner Kollegin bemerke ich, dass wir fest zusammenhalten und auch Konkurrentinnen sein können. Das Dilemma versuchen wir durch Spezialisierung, Zuteilung von Aufgaben, etc. aufzulösen. Bleibt neugierig, seid selbstbewusst, tauscht euch aus, bildet Netzwerke und habt Spaß!

Was bedeutet es für dich, Leaderin/Gestalterin zu sein? 

Ich möchte die Zukunft beeinflussen, gestalten und verbessern. Ich möchte schöne, gesunde Räume schaffen, Leute begeistern, Gemeinschaften initiieren.

Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in Forschung und Innovation an die Spitze kommen?

Damit Frauen an die Spitze kommen, braucht es eine andere Macht- und Entscheidungskultur und mehr Frauen in Entscheidungsgremien.

Was hat das INNOVATORINNEN Leadership-Programm bei dir bewirkt? Was konntest du dir mitnehmen? 

Der Austausch mit 19 anderen Expertinnen hat meine Entwicklung und Entfaltung gefördert. Nach jedem Workshop bin ich noch motivierter in meinen Arbeitsalltag zurückgekehrt. Ich bin klarer bei meinen Zielsetzungen und selbstbewusster geworden. 

Ich wurde hörbarer - in Diskussionen erfahre ich mit meinen Argumenten mehr Resonanz.

Was hast du gelernt oder erfahren, dass du vorher noch nicht wusstest? 

Einer meiner Favoriten war das Empowerment Coaching. Mein Positionierungssatz „Ich bin die durchsetzungsfähige Stadterneuerin“ hilft anderen Menschen, mich so einzuordnen, wie ich eingeordnet werden will. 

Wo willst du noch hin? 

Auf mindestens 3 Podien, zum TEDx Talk und bei der Eröffnung meines ersten Stadtumbauprojekts mit dem Bürgermeister tanzen. ☺

Jutta Wörtl-Gössler (Foto: FFG/Jana Mack)

 

Kontakt

Mag. Charlotte ALBER
Mag. Charlotte ALBER
Leitung INNOVATORINNEN

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Dr. Lisa OBEREDER MSc
Dr. Lisa OBEREDER MSc
Programmmanagement INNOVATORINNEN

T 0043577553506

M 004366478243527