Gender und Gleichstellung der Geschlechter - Bedeutung und Hintergrund

Die FFG berücksichtigt Gender Mainstreaming-Aspekte seit vielen Jahren. Bereits 2004 startete das Programm FEMtech mit der Bewertung von Genderaspekten im Auswahlverfahren und den Forschungsinhalten. 2009 wurden Genderkriterien in der Bewertung von Projektanträgen im Basisprogramm eingeführt. Ab 2011 wurden sie auch in den anderen Förderformaten umgesetzt. Mit der Haushaltsrechtsreform (Bundeshaushaltsgesetz 2013) wurde Genderbudgeting in Österreich auch gesetzlich verankert.

Warum ist Gender Mainstreaming wichtig für die Forschungsförderung?

Gender Mainstreaming als Strategie zur Förderung von Chancengleichheit ist ein Beitrag zur ...

Qualitätssteigerung:

  • Dafür ist es wichtig, die „besten Köpfe“ für Forschung und Entwicklung zu gewinnen und dazu zählen Menschen aller Geschlechter.
  • Es hat sich gezeigt, dass die Qualität von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen mit der Diversität der Teams steigt. Neben Gender und geschlechtlicher Identität spielen Faktoren wie etwa Alter, Ausbildung, Berufserfahrung, soziale und regionale Herkunft, Nationalität, Religion und Weltanschauung oder körperliche und geistige Fähigkeiten eine Rolle.

Chancengleichheit:

Frauen sollen in Forschung und Entwicklung im gleichen Ausmaß wie Männer repräsentiert sein. Aktuell stellen Frauen mehr als 50 % der Studierenden, bekleiden jedoch nach wie vor weniger verantwortungsvolle Positionen im Wissenschaftsbereich und sind insgesamt in Forschung und Innovation unterrepräsentiert. Im Zuge ihres Karriereverlaufs in der Forschung sind immer weniger Frauen vertreten ("leaky pipeline"). Weitere Informationen hierzu bieten z.B.:

 

Was ist Gleichstellung (der Geschlechter)?

Gleichstellung meint Maßnahmen der Angleichung der Lebenssituation von im Prinzip gleichberechtigten, aber heterogenen Bevölkerungsgruppen (z. B. Gleichberechtigung von Frau und Mann). Die gleichen Rechte zu haben, bedeutet aber nicht, dass unterschiedliche Personen auch die gleichen Chancen im Leben haben, Ziele zu erreichen. Wer beispielsweise aus einer armen Familie mit Migrationsgeschichte stammt und Deutsch als Zweitsprache spricht, hat wesentlich geringere Chancen auf Matura, ein Studium und schließlich eine Position in der Forschung. Dem Prinzip der Gleichstellung folgend erhalten Personen oder Personenkreise, die von gesellschaftlichen Strukturen benachteiligt werden, zusätzliche Unterstützungsangebote. Dabei sollte eines nicht vergessen werden: Wer nicht aus einer benachteiligten Gruppe stammt, hat selbst schon einen Bonus, der in allen Lebenslagen hilft, von der Bildungskarriere bis hin zum Gehalt.

 

Wie kann Gleichstellung in der Forschung erreicht werden?

Bereits 2003 hat die Europäische Kommission festgestellt, dass Gleichstellung in der Forschung besonders über diese beiden Wege erreicht werden kann:

  • "gender in dimension of research content" (qualitativer Aspekt - Forschungsdesign) und
  • "women's participation" (quantitativer Aspekt – Teilnahme in Forschung und Entscheidungsfindung).

Weiterführende Informationen finden sich in der EU-Strategie zur Gleichstellung in Forschung und Innovation.

 

Welchen Nutzen hat gendergerechte Produkt- und Prozessentwicklung?

Der Nutzen für die Zielgruppen einer gendergerechten Produkt- und Prozessentwicklung sind passgenaue Produkte und Prozesse, die die Wünsche und Bedürfnisse aller Anwender:innen berücksichtigen. Die Gefahr von erfolglosen „Innovationen“ sinkt, weil die Zielgruppen rechtzeitig in den Fokus rücken und dadurch tatsächlich praxistaugliche Produkte und Dienstleistungen entstehen. Darüber hinaus können Unternehmen neue Märkte generieren und bestehende Märkte erweitern. Mit den Genderkriterien in den Auswahlprozessen der FFG soll ein generelles Nachdenken über Diversitätskategorien in F&E angestoßen werden – auch, um Produkte und Dienstleistungen noch besser an die Zielgruppen an zu passen und verantwortungsvolle Innovationen zu entwickeln.

Hier besteht eine Überschneidung mit dem Konzept der Responsible Research and Innovation (RRI), mit Hilfe dessen das Innovationssystem antizipativer, inklusiver, reflexiver, reaktionsfähiger und bedarfsorientierter werden soll.    
 

 

Begriffe rund um Gender und Forschungsförderung

Gender

Gender (von engl. gender, „soziales Geschlecht“) bezeichnet das soziale Geschlecht, also Geschlechtseigenschaften, die eine Person in Gesellschaft und Kultur beschreiben, im Gegensatz zum rein biologischen Geschlecht (engl. sex, „biologisches Geschlecht“). Gender umfasst gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägte Geschlechterrollen, die erlernt und daher veränderbar sind. Das biologische wie soziale Geschlecht haben großen Einfluss auf das Leben einzelner Personen und auf das Funktionieren der Gesellschaft an sich. Das Geschlecht (als soziales wie biologisches Geschlecht) ist somit ein grundlegender Aspekt in Forschung und Wissenschaft. Die Berücksichtigung der Genderperspektive in Forschungsprojekten hat wichtige Implikationen für wissenschaftliche Erkenntnisse und kann dadurch Verzerrungseffekte vermeiden.

Gender Mainstreaming

Gender Mainstreaming ist die Strategie zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern und wurde im Jahr 1997 von der Europäischen Union im Vertrag von Amsterdam beschlossen. Österreich hat diesen Vertrag ratifiziert und sich zur Durchführung entsprechender Maßnahmen verpflichtet. Die verbindliche politische Absichtserklärung zur Förderung des Gender Mainstreaming in allen Politikbereichen wurde erstmals mittels Ministerratsbeschluss vom 11. Juli 2000 verankert.

Gender Mainstreaming ist eine Strategie zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung aller Geschlechter und Geschlechtergerechtigkeit - dadurch gibt es Überschneidungen mit der Frauenförderung. Diese nimmt hauptsächlich die Frauen in den Blick und strebt den Ausgleich struktureller Nachteile für Frauen an. Gender Mainstreaming ist also nicht gleichzusetzen mit Frauenförderung, es handelt sich um unterschiedliche Ansätze mit ähnlichen Zielen.

Weitere Informationen: 

Frauenförderung

Frauenförderung soll die Chancen von Frauen in männerdominierten Berufen sowie in höherwertigen Positionen erhöhen und eine Unterrepräsentation verhindern. Ziel ist ein gleichwertiger Anteil von Frauen und Männern auf allen Hierarchieebenen sowie der Abbau bestehender Benachteiligungen von Frauen im Berufsfeld. Eine befristete Bevorzugung von Frauen gilt nicht als Diskriminierung von Männern, sofern Frauen ebenso qualifiziert sind.   
Weitere Informationen zum Thema Frauenförderung auf oesterreich.gv.at

Genderbudgeting

Genderbudgeting ist die finanzpolitische Umsetzung der Strategie des Gender Mainstreaming. Es meint die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive bei der Gestaltung öffentlicher Budgets. 2009 wurde Gender Budgeting mit einer Haushaltsrechtsreform verankert.

Gender im Haushaltsrecht und Wirkungsziele

Bereits im Jahr 1998 wurde die strukturelle Verankerung der Gleichstellung in der Österreichischen Bundesverfassung aufgenommen. Im Jahr 2013 wurde im Rahmen der Haushaltsrechtsreform die Gleichstellung von Frauen und Männer verankert und wurde im System der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung berücksichtigt. Das System der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung besteht aus zwei miteinander verschränkten Instrumenten: der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung und der Wirkungsorientierten Folgenabschätzung (WFA). In beiden Instrumenten findet die Gleichstellung von Frauen und Männern starke Berücksichtigung. Die Wirkungsorientierte Verwaltungsführung drückt sich in der engen Verknüpfung mit dem jährlich zu erstellenden Budgetvorschlag aus. Im Rahmen der jährlichen Planung sind pro Untergliederung maximal fünf Wirkungsziele zu definieren. Eines dieser Wirkungsziele muss ein Gleichstellungsziel sein. Die Zielerreichung wird mittels festgelegter Kennzahlen messbar gemacht. Nach Abschluss des Budgetjahres wird die Zielerreichung anhand der festgelegten Indikatoren überprüft, um aus den gewonnen Erkenntnissen lernen zu können. Durch diese Vorgangsweise lässt sich die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern innerhalb der jeweiligen Ressorts und obersten Organe auf Untergliederungsebene rational steuern und setzt darüber hinaus einen permanenten Lernprozess in Gang, gewährleistet Legitimität und schafft Transparenz.

Zum Wirkungsmonitoring: https://wirkungsmonitoring.gv.at/index.html

Zur Wirkungsorientierten Verwaltung: https://www.oeffentlicherdienst.gv.at/wirkungsorientierte_verwaltung/index.html  

Geschlechtersensible Sprache

In den Bemühungen um Gleichstellung spielt Sprache eine zentrale Rolle. Denn Sprache schafft Wirklichkeit: Unsere Wahrnehmung wird von Sprache beeinflusst, unsere Normen und Werte schlagen sich in Sprache nieder, ohne Sprache ist keine Kommunikation und gesellschaftliche Interaktion möglich. Damit kommt der Sprache eine bedeutende Rolle zu und es ist wichtig, dass sie nicht diskriminiert, sondern alle Geschlechter repräsentiert. Sprache leistet einen aktiven Beitrag zur Gleichstellung, weil sie das Bewusstsein der Sprechenden und Schreibenden prägt. Auf der Ebene von Forschungsprojekten ist dies auch wichtig. Für das Miteinander im Team, oder wenn es um die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen geht: Wer nicht benennt, für welche Zielgruppe Dinge entworfen werden, wird sich schwer tun, diese auch wirklich zu adressieren.

Prinzipien zum geschlechtersensiblen Schreiben und Sprechen sind:

  • "Mitmeinen" funktioniert nicht. Geschlechter müssen konkret benannt werden oder es sollte neutral formuliert werden.
  • Es gibt mehr als nur zwei Geschlechter (2018 stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass es neben "weiblich" und "männlich" noch alternative Geschlechtsidentitäten gibt; siehe auch Leitfaden der Gleichbehandlungsanwaltschaft unten)
  • sachlich korrekt und verständlich bleiben
  • der Text soll seiner Funktion entsprechen
  • der Text soll an die Zielgruppe angepasst sein

Idealerweise wird geschlechtsneutral formuliert, es gibt aber auch andere Varianten vom Binnen-I, das nur Männer und Frauen sichtbar macht, bis hin zum Genderdoppelpunkt, der alle Geschlechter sichtbar macht. Detailliertere Informationen und Anleitungen finden sich in zahlreichen Leitfäden zum geschlechtersensiblen (oder geschlechtergerechtem) Sprachgebrauch, beispielsweise:

Inklusion – Inclusion 

Alle Menschen sind in das Miteinander einer Gesellschaft eingeschlossen und können auch tatsächlich teilhaben – das bedeutet Inklusion. Im deutschsprachigen Raum ist dem „klassischen“ Inklusionsbegriff bisher umschreiben, dass Menschen mit Behinderung mit vollen Bürgerrechten aktiv und selbstbestimmt am Leben und in der Gesellschaft teil haben. Mit dem Konzept „Diversity, Equity, Inclusion (DEI)“ und in der deutschen Übersetzung „Diversität, Gleichstellung, Inklusion/Teilhabe“ ist ein umfassendes Konzept der Organisationsgestaltung gemeint, welches über die Inklusion von Menschen mit Behinderungen hinaus geht. Oft ist auch nur die Rede von „Diversity & Inclusion“, also Diversitätsmanagement und Inklusion. In diesem Zusammenhang meint Inklusion eine wertschätzende und konstruktive Miteinbeziehung aller Menschen und ihrer Vielfalt innerhalb einer Organisation. Die strukturellen und sozialen Bedingungen sollen so gestaltet werden, sodass sich diese bestmöglich entwickeln und entfalten können. 

Unconscious Bias – unbewusste Vorurteile

Die Bezeichnung „Bias“ stammt aus dem Englischen und bedeutet Vorurteil oder Voreingenommenheit. Unconscious Bias sind dabei unbewusste kognitive Verzerrungen - Vorurteile. Als automatische Stereotypen oder unbewusste Denkmuster, sind sie tief in uns verwurzelt. Unconscious Bias zeigen sich als blinde Flecken in unserem alltäglichen Verhalten. Sie sind sozusagen „mentale Programmierfehler“ unseres Gehirns, die im Laufe der Evolution entstanden sind. Sie erleichtern unseren Alltag, indem sie die Komplexität unserer Umwelt reduzieren. Unser Gehirn spart gerne Ressourcen und ist deshalb ein "kognitiver Geizkragen". Es verbindet auch Emotionen mit unbewussten Denkmustern. Emotionen verknüpfen fast alle vom Gehirn entschlüsselten Informationen. Sie sind der Klebstoff, der das System zusammenhält. Daher sind unsere Entscheidungen und Handlungen in der Regel nicht objektiv und rational. Sie sind das Ergebnis des Zusammenspiels von Emotionen, Erinnerungen, Interpretationen und Bewertungen.

Die unbewussten Vorurteile oder Bias haben eine erhebliche Wirkung auf unser Verhalten im Arbeitsleben. Sie beeinflussen, wie wir anderen im professionellen Kontext begegnen. Zum Beispiel beeinflussen Hautfarbe, soziale Herkunft, ethnische Zugehörigkeit und Geschlecht die Zusammenarbeit im Team und führen zu Assoziationen, die zu Verzerrungen bei der Beurteilung von Menschen führen können. Unbewusste Vorurteile können zu Ausgrenzung und Diskriminierungsprozessen führen. Im Forschungskontext wären das zum Beispiel unterschiedliche Auslegung von Lebensläufen und Exzellenzkriterien, je nachdem welche Person beurteilt werden soll – oder das Ignorieren von Bedürfnissen bestimmter Zielgruppen, weil diese als nicht relevant erachtet oder schlichtweg vergessen werden.   
Letztendlich erschweren unbewusste Vorurteile die Teilhabe aller an der Gesellschaft und die Verwirklichung von Chancengleichheit. Unbewusste Denkmuster sind schwer abzulegen. Wenn wir uns jedoch bewusstmachen, welche Prozesse in uns ablaufen, können wir rationalere Entscheidungen treffen und unser Verhalten ändern. Hierbei können Anti-Bias-Trainings unterstützen.