Bildbeschriftung: Cover des Wegweisers „Sozialroutenplan“
Projektbeschreibung
Ausgangssituation
In Westösterreich sind mindestens 300.000 Menschen teilweise auf den Zugang zu sozialen Unterstützungsleistungen angewiesen. Aufgrund der Heterogenität und Diversität der Betroffenen stellen sich dabei besondere Herausforderungen. Digitalisierung kann hier Ausgrenzung verstärken, aber auch Chancen bieten, wenn man sie richtig umsetzt. Beides wird durch die jüngsten Erfahrungen während der Covid-19-Pandemie und der Teuerungskrise noch unterstrichen.
Ziele
Aufgrund von bislang unzureichenden Antworten auf diese Herausforderung wurde für dieses Projekt ein Dreiländer-Konsortium aus fünf Partner*innen aus der Wissenschaft, drei aus der IT-Branche und 14 Sozialeinrichtungen gebildet. Es ist in einen integrierten und partizipativen Prozess zusammen mit potentiellen User*innen eintreten, um auf der Basis eines bestehenden Printprodukts einen digitalen Sozialroutenplan für Westösterreich zu entwickeln. Dabei werden ein Service-Design-Thinking- und ein Service-User-Involvement-Ansatz kombiniert, um diese Lösung möglichst nahe an den Bedürfnissen der Betroffenen umzusetzen.
Ergebnisse
Das Projekt entwickelt als Ergebnis digitale Werkzeuge, vor allem eine Web-Anwendung, durch die Personen, die soziale Unterstützungsleistungen benötigen, Informationen über Beratungsstellen, Angebote und Voraussetzungen (in einem weiteren Ausbau möglicherweise auch über rechtliche Rahmenbedingungen) in flexibler und niederschwelliger Form erhalten. Barrierefreiheit, Usability und Anti-Diskriminierung sind dabei zentrale Grundprinzipien der Entwicklungsarbeit. Im Laufe des Projekts wurde immer klarer, dass auch die Anbietenden selbst von diesem Werkzeug profitieren können, weil es ihnen Zugang zu einer Informationssammlung bietet, die bisher in dieser Form nicht bzw. nur sehr lokalisiert auf der Basis von Einzelinitiativen existiert. Das Projekt hat dabei auch wichtige Informationen geliefert, welcher Folgeaufwand für die dauerhafte Pflege und Aufrechterhaltung eines solchen Angebots erforderlich ist.
Im Entwicklungsprozess hat sich zudem erwiesen, wie wichtig gerade daher der Aufbau und die Pflege eines umfassenden Kontaktnetzwerks für die Nachhaltigkeit des Projekts sind. Jedenfalls bei den heutigen technischen Möglichkeiten ist eine kontinuierliche Einbindung der Anbieter*innen sozialer Unterstützungsleistungen in den Aufbau und die dauerhafte Pflege der Informationsbasis gegenüber rein technischen Lösungen eindeutig im Vorteil, und so verbinden sich technische Unterstützung und konkrete soziale Arbeit zu einem Mehrwert für alle Beteiligten und Betroffenen. Zentrale Innovation bleibt aber der eigentliche Entwicklungsprozess, der streng an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert ist, und der damit ein wesentliches Qualitätsmerkmal darstellt. Dabei können sich in der letzten Projektphase auch noch interessante Wechselwirkungen mit anderen Laura-Bassi-Projekten ergeben.
Schließlich hat das Projekt auch bestätigt, dass zwar im Feld der sozialen Arbeit einerseits Chancen in Digitalisierungsinitiativen liegen, dass daneben aber gerade in diesem Feld immer auch Grenzen der Digitalisierung mitgedacht werden müssen, um nicht neue Diskriminierungen und Ausschlüsse zu erzeugen.
Vision
Am Ende dieses Projekts soll ein Best-Practice-Beispiel stehen, das es möglichst vielen Menschen, die eine soziale Unterstützung benötigen und Anspruch darauf haben, ermöglicht, sie auch zu erhalten. Es sollen aber auch Erkenntnisse über die Grenzen der Digitalisierung wachsen, damit diese den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechend verschoben werden können, und über Potentiale, damit diese bestmöglich ausgenutzt werden können. Eine Nachfolgestruktur soll die Anwendungen in den Regelbetrieb überführen und – eine entsprechende Annahme des Angebots durch die Betroffenen vorausgesetzt – ist in weiterer Folge auch eine landesweite Ausrollung möglich.
Welche Forschungsfragen sind noch offen bzw. haben sich neu ergeben?
Der Projektverlauf bestätigt in vielerlei Hinsicht die Notwendigkeit zielgruppenorientierter Entwicklungsarbeit. Wo immer eine solche Einbindung unzureichend erfolgt ist, blieben die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück. Das Projekt zeigt damit, dass eine Einbindung von Betroffenen in derartige Entwicklungsprozesse möglich und sinnvoll ist und auch, dass allfällige Barrieren auf beiden Seiten in der Regel überschätzt werden. Die Einbindung muss aber natürlich ergebnisangemessen und situationsspezifisch gestaltet werden, um erfolgreich zu wirken. Neben Service-Design-Thinking kann auch die Citizen-Science-Logik dafür nützliche Anknüpfungspunkte liefern.
Während das Projekt einiges geleistet hat, um eine gemeinsame Entwicklungsarbeit im Konsortium und unter Einbeziehung der Betroffenen zu ermöglichen und dadurch auch die jeweiligen Arbeitskulturen aneinander anzunähern und in Dialog zu bringen, besteht eine wichtige Forschungsfrage weiterhin in den erfolgsnotwendigen Bedingungen für eine möglichst effiziente Übersetzung von alltagsweltlichen Bedürfnissen in technische Umsetzungsschritte. Die Frage der Erfolgsmessung ist ebenfalls kritisch: Welche Faktoren können dazu beitragen, dass ein Angebot angenommen wird, und wie misst man das Ausmaß der Annahme? Dabei können auch Überschneidungen zur Forschung über die Nicht-Inanspruchnahme von sozialen Unterstützungsleistungen genutzt werden.
Eckdaten
Programm/Ausschreibung
Laura Bassi 4.0 – 2. Ausschreibung
Projektlaufzeit (von bis)
1. April 2021 (voraussichtlich) bis 30. September 2024
Projektpartner*innen
- Wissenschaft:
- Universität Innsbruck;
- Fachhochschule Vorarlberg;
- ifz Salzburg;
- Management Center Innsbruck
- IT-Branche:
- ICC Werbeagentur GmbH & Co KG;
- M-Pulso GmbH;
- Michael Holzknecht
- Sozialeinrichtungen:
- AQUA Mühle Vorarlberg;
- Diakonie Flüchtlingsdienst (Salzburg);
- DOWAS für Frauen (Tirol);
- Frau & Arbeit (Salzburg);
- IFS Vorarlberg;
- Lebenshilfe Tirol;
- Offene Jugendarbeit Dornbirn;
- ÖZIV Tirol;
- Pro Mente Salzburg;
- Schuldenberatung Tirol;
- Verein für Obdachlose (Tirol);
- Volkshilfe Tirol;
- unicum:mensch (Tirol/Salzburg);
- Zentrum für MigrantInnen in Tirol
Kontakt
Andreas Exenberger
Zitat
„Unsere Vision besteht darin, dass alle daran interessierten Menschen die entwickelten digitalen Werkzeuge nutzen können, um sich über soziale Unterstützungsleistungen zu informieren. Das sollte idealerweise aus eigener Kraft möglich sein oder wenigstens durch die Unterstützung von Sozialeinrichtungen. Insgesamt sollen alle Personen, die eine entsprechende Unterstützung benötigen und Anspruch darauf haben, sie auch erhalten.“