Laura Bassi 4.0 Bericht 4. Netzwerkforum – Digitalisierung und Chancengerechtigkeit

 

Veranstaltungsbericht zum 4. Laura Bassi 4.0 Netzwerkforum am 23. Juni 2022 - Practitioners‘ Conference „Digitalisierung und Chancengerechtigkeit“ – endlich offline!

"Symbolbild des 4. Laura Bassi Netzwerktreffens"
ÖGUT/AdobeStock/Funtap

ÖGUT/AdobeStock/Funtap

 

Weitere Infos zur Veranstaltung finden Sie auf der ÖGUT-Website und auf der FFG-Website.

 

Einleitung

Das Laura Bassi 4.0-Netzwerk „Digitalisierung und Chancengerechtigkeit“ setzt sich seit Herbst 2020 für die chancengerechte Gestaltung der Digitalisierung ein.

Mit Unterstützung des BMDW setzt die FFG mit dem Forschungsförderungsprogramm Laura Bassi 4.0 und dem begleitenden Netzwerk „Laura Bassi 4.0: Digitalisierung und Chancengerechtigkeit“ wichtige Schritte, um eine chancengerechte Digitalisierung in der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben. Neben den sieben geförderten Projekten wurden innerhalb des Netzwerks seit Beginn sechs Arbeitsgruppen gebildet, die konkrete Maßnahmen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Gamification, digitale Inklusion, Community Building und digitale Entscheidungsfindung erarbeiten.

Beim 4. Netzwerkforum am 23. Juni in Wien wurden Praktiker:innen vor den Vorhang geholt und Good Practices aufgezeigt. Die Veranstaltung fokussierte auf folgende Fragen: Welche Lösungsansätze für eine chancengerechte Digitalisierung wurden bisher erarbeitet? Welche Ergebnisse und Learnings gibt es aus den Arbeitsgruppen und Projekten? Welche zentralen Fragen rund um das Thema chancengerechte Digitalisierung wird das Netzwerk zukünftig bearbeiten? Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch die neue Broschüre (Reader) über das Netzwerk vorgestellt.

Der Reader enthält einen Überblick über das umfangreiche Netzwerk und seine Wirkungsfelder, die Kooperationspartner:innen, Projekte und Arbeitsgruppen. Die Publikation zeigt, dass es mit dieser Initiative gelungen ist, aus einem gemeinsamen Anliegen, nämlich die Digitalisierung chancengerechter zu gestalten, ein gut funktionierendes Netzwerk zu etablieren.

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"Cover "Digitalisierung und Chancengerechtigkeit". Ein Reader über das Netzwerk, Arbeitsgruppen und Projekte. Herausgegeben vom Netzwerk Laura Bassi 4.0. Weiters: Teilnehmer:innen beim 4. Laura Bassi 4.0 Netzwerkforum"
Abbildung 1: Links: Broschüre „Digitalisierung und Chancengerechtigkeit“. Rechts: Teilnehmer:innen beim 4. Laura Bassi 4.0 Netzwerkforum. Quelle: ÖGUT

Abbildung 1: Links: Broschüre „Digitalisierung und Chancengerechtigkeit“. Rechts: Teilnehmer:innen beim 4. Laura Bassi 4.0 Netzwerkforum. Quelle: ÖGUT

    
 

Eröffnung & gemeinsamer Start in den Tag

Beim 4. Netzwerkforum am 23. Juni 2022 gaben Sonja Kopic und Kristina Grandits (Programm-Managerinnen des Laura Bassi 4.0-Programms in der FFG) einleitend eine kurze Einführung in die Aktivitäten des Förderprogramms Laura Bassi 4.0 und des begleitenden Netzwerks. Die beiden Programm-Managerinnen betonten, dass jedes Projekt, jede Arbeitsgruppe einen aktiven Beitrag zu mehr Fairness und Chancengerechtigkeit leiste. „Die Laura Bassi 4.0-Projekte und die Arbeitsgruppen erarbeiten vielfältige Lösungsansätze für eine chancengerechte Digitalisierung und leisten damit einen wesentlichen Beitrag, dass Österreich die Chancen der Digitalisierung besser nutzen kann“, ist Sonja Kopic überzeugt.

Kristina Grandits freute sich, dass die FFG mit dem Förderprogramm Netzwerk Laura Bassi 4.0 eine Vorreiterrolle einnehmen konnte. Sie betonte, wie wichtig es sei, dass sich die Projekte und Arbeitsgruppen intensiv mit dem Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit auseinandersetzen: „Jedes Projekt, jede Arbeitsgruppe leistet einen aktiven Beitrag zu mehr Fairness und Chancengerechtigkeit in digitalen Prozessen.“

 

Das Laura Bassi Netzwerk 4.0 – Rückblick, Einblick, Ausblick

Im Anschluss an die Eröffnung hatten die Teilnehmer:innen Gelegenheit, sich am Marktplatz der Facetten über die Laura Bassi 4.0-Forschungsprojekte und Arbeitsgruppen zu informieren und sich mit diesen zu vernetzen.

 

Die Marktstände der Arbeitsgruppen

 

Marktstand der Arbeitsgruppe „trustworthy AI - Bewertbarkeit von AI-Systemen für anwendende Organisationen“

Kontakt: Dr.in Gertraud Leimüller, WINNOVATION CONSULTING GMBH, ger-traud.leimueller@winnovation.at

Ob auf Social Media, beim Einkaufen, bei Bewerbungen oder in der Mobilität: Künstliche Intelligenz spielt im Leben der Menschen eine immer größere Rolle. Doch nicht jede KI ist automatisch gut, es gibt auch häufig unerwünschte Nebenwirkungen, z.B. Diskriminierung von bestimmten Gruppen oder nicht nachvollziehbare Entscheidungen, die auf Empfehlungen von Algorithmen beruhen. Daher wird unter dem Begriff „Trustworthy AI“ intensiv an Spielregeln für einen verantwortungsvollen Einsatz von KI gearbeitet. Die Arbeitsgruppe befasst sich damit, wie dieses Konzept in der Praxis der KI-Anbieter:innen und -Entwickler:innen auf verschiedenen Anwendungsbranchen tatsächlich landet und dort sinnvoll umgesetzt werden kann.

 

Marktstand der Arbeitsgruppe „Technologiebildung - Kinder und Jugendliche: von Konsu-ment:innen zu Produzent:innen von Technologien“

Kontakt: Dorothea Erharter, ZIMD, d.e@zimd.at

Kinder und Jugendliche sollen Technologien nicht nur nutzen, sondern lernen diese aktiv mitzugestalten. Dazu braucht es vernetzte Kenntnisse in unterschiedlichen Bereichen wie Technisches Werken, Informatik, Technikfolgenabschätzung, Ethik, Mechanik/Mechatronik, Nachhaltigkeit etc. Technologieentwicklung sollte sich weniger an Problemstellungen, sondern an Problemen orientieren, vor denen die Welt heute steht (z. B. Sustainable Development Goals). Das zeigt für Kinder und Jugendliche den Sinn von Technologieentwicklung auf und macht diese auch attraktiver für Mädchen. Die Arbeitsgruppe setzt sich für diese Form der Technologiebildung ein.

 

Marktstand der Arbeitsgruppe „Digitale Inklusion und Partizipation - Wie werden von Digitalisierung ausgeschlossene Personen(gruppen) ‚mitgenommen‘?“

Kontakt: Mag.a Nadja Bergman, L&R Sozialforschung, bergmann@lrsocialresearch.at

Diese Arbeitsgruppe widmet sich der Frage, wie die Digitalisierung besser an Menschen und deren Bedürfnissen ausgerichtet werden kann. Im Vordergrund steht das Lernen aus Good-Practice-Beispielen für den Einsatz im Gesundheits- und Sozialbereich. Auf der Basis der durchgeführten Recherchen und Diskussionen sollen Schlussfolgerungen abgeleitet und im Kontext möglicher Umsetzungspotentiale für den Gesundheits- und Sozialbereich vorgestellt und diskutiert werden.

 

Marktstand der Arbeitsgruppe „Partizipative Entscheidungen digital fällen - Theoretische Auseinandersetzung im Projekt VREDE trifft auf Praxiserfahrung“

Kontakt: Mag. Elmar Türk, Klären & Gestalten, coach@elmartuerk.at

Bewusstseinsbildung zur Bedeutung von partizipativer Entscheidungsfindung und wie diese auch in der Praxis digital umgesetzt werden kann sind die zentralen Fragestellungen dieser Arbeitsgruppe. Ansatzpunkt soll neben einem inhaltlichen Austausch mit externen Vortragenden auch kollegiale Beratung für praktische Anwender:innen sein.

 

Marktstand der Arbeitsgruppe „Spielerische Ansätze (Gamification) zur Gestaltung der Digitalisierung – Gaming und Spieleentwicklung zur chancengerechten Gestaltung von Digitalisierung“

Kontakt: Prof.in DIin Dr.in Johanna Pirker, TU Graz, johanna.pirker@tugraz.at; DI Stephan Keller, TU Graz, stephan.keller@tugraz.at

Der Begriff „Gamification” ist seit langer Zeit in aller Munde; eine genaue Definition oder Beschreibung fällt vielen aber schwer. Die Arbeitsgruppe möchte dazu beitragen, diesen Terminus greifbarer zu machen, und im zweiten Schritt aufzeigen, in welcher vielfältigen Weise „spielerische” Ansätze” bereits in vielen Branchen und Industrien Einzug gefunden haben. Neben der Darstellung der Anwendungsmöglichkeiten sollen auch Ausbildungsmöglichkeiten aufgezeigt und Strategien zur Verbesserung der Chancengleichheit und Inklusion erarbeitet werden.

 

Marktstand der Arbeitsgruppe „(Online) Community Building - Aufbau, Mehrwert und Weiterentwickeln von Online Communities“

Kontakt: Andrea Werner, MSc, Fachhochschule Technikum Wien, andrea.werner@technikum-wien.at

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit Aufbau, Mehrwert und Weiterentwicklung von Online Communities. Fragen, was eine Community ausmacht, wie der Zugang gestaltet werden kann und wie Mehrwert erhalten und kreiert werden kann, sollen über einen Erfahrungsaustausch innerhalb der Gruppe und über Impulse von Expert:innen zu wissenschaftlichen und praktischen Perspektiven erfolgen.

 

Die Marktstände der Projekte:

 

Marktstand des Projekts „#dienetzwerkerinnen – Online-Frauennetzwerk zum Empowerment bei der Überwindung von Genderbarrieren und zur Mitgestaltung des digitalen Wandels“

Kontakt: Mag.a Dr.in Jutta Pauschenwein, jutta.pauschenwein@fh-joanneum.at

Im Projekt „Die Netzwerkerinnen“ wird ein Online-Netzwerk mit Frauen entwickelt und für Frauen angeboten. Dabei stehen Online-Austausch und gemeinsame Online-Lernprozesse im Vordergrund und es werden Wege zur Mitgestaltung des digitalen Wandels erforscht. Die im Online-Frauennetzwerk erarbeiteten Materialien werden anschließend unter einer offenen Lizenz zur Verfügung gestellt.

 

Marktstand des Projekts „VREDE – A Visual Tool for Responsible Decisions”

Kontakt: Dipl. Ing.in Dorothea Erharter, d.e@zimd.at

Im Projekt VREDE wird die Konzeption und Gestaltung eines visuellen Tools für verantwortungsvolle Gruppenentscheidungen erforscht. Zwar gibt es erprobte partizipative Verfahren für Meinungsbildung und Entscheidungsfindung, diese funktionieren bisher allerdings hauptsächlich analog. Im Projekt wird erforscht, welche Entscheidungsszenarien mit welchen Methoden gut lösbar sind und ob/wie diese gut digitalisiert und visualisiert werden können. Damit sollen partizipative Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse auch für komplexe Themen ermöglicht werden.

 

Marktstand des Projektes „Digital Energy 4 All – Digitale Handelsplattform für lokale und regionale Energiemärkte für Energiegemeinschaften“

Kontakt: Andrea Werner, andrea.werner@technikum-wien.at

Das Projekt DigitalEnergy4All entwickelt eine digitale Handelsplattform für lokale und regionale Energiemärkte, über die sich (Klein-) Produzent:innen mit Energieverbraucher:innen zu lokalen Energiegemeinschaften verbinden können. Gemeinsam mit den zukünftigen Nutzer:innen wird erforscht, welche Kooperationsmodelle, Algorithmen und Rahmenbedingen es braucht, damit sich auch sonst eher ausgeschlossene Gruppen in die Energiewende einklinken und von ihr profitieren können.

 

Marktstand des Projektes „fAIr by design – Neues Prozessmodell für die Entwicklung fairer und nicht-diskriminierender AI-Systeme mit sozialwissenschaftlicher Dimension“

Lena Müller-Kress, M.A., lena.mueller-kress@winnovation.at

Das Projekt zielt darauf ab, das Risiko einer Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, Herkunft und anderen Dimensionen bereits während der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) zu verringern. Durch die Entwicklung eines interdisziplinären Prozesses, der soziale Gerechtigkeit in die technische KI-Entwicklung mit einbezieht, und einer Fairness-Toolbox wird die Lücke zwischen theoretischen Ethik-Leitlinien und praktischer Anwendung geschlossen.

 

Marktstand des Projektes „INDUCE – Cyber Security Fähigkeiten und Fertigkeiten mit Cyber-Übungen für diverse Zielgruppen“

Kontakt: Dr.in Maria Leitner, maria.leitner@ait.ac.at

INDUCE zielt darauf ab Cybersicherheitskompetenzen und -fähigkeiten mit Cyber-Übungen für eine breite Zielgruppe zugänglich zu machen. Im Rahmen des Projektes werden daher existierende Cyber-Übungen (z.B. Technologien oder Cyber-Szenarien) anhand der Diversitätsdimensionen und Chancengerechtigkeit evaluiert und aufbauend darauf neu entwickelt, erweitert bzw. adaptiert. Mit INDUCE können langfristig Cybersicherheitskompetenzen für die Bevölkerung aufgebaut und weiterentwickelt werden, die zur Handlungsfähigkeit vielfältiger Zielgruppen in einer digitalen Gesellschaft beitragen.

 

Marktstand des Projektes „Pflegende Angehörige – Neuartige digitale Lösungskonzepte von pflegenden Angehörigen“

Kontakt: Nicole Traxler, nicole.traxler@two-next-inclusion.

Im Innovationsnetzwerk werden unter Einbeziehung der Zielgruppe neuartige digitale Lösungskonzepte zur Entlastung und Unterstützung pflegender Angehöriger entwickelt. Der Fokus der Innovation und Entwicklung liegt auf Entlastungsangeboten, die einen niederschwelligen Zugang für die Mehrheit an pflegenden Angehörigen ermöglichen und Ungleichheiten hinsichtlich Alter, Geschlecht, Herkunft, Stadt-Land-Gefälle, Beeinträchtigung, Bildungsgrad uvm. vermindern soll. Die entwickelten Lösungsansätze sollen als drei digitale Prototypen in bestehende Angebote einfließen oder eigenständige Produkte, Services oder Prozesse werden können.

 

Marktstand des Projektes „Sozialroutenplan – Ein digitaler Wegweiser bei sozialen Problemen: Der Sozialroutenplan für Westösterreich“

Kontakt: Andreas Exenberger, andreas.exenberger@uibk.ac.at

Im Rahmen des Projekts wird ein digitaler Sozialroutenplan für Westösterreich entwickelt. Über einen partizipativen Prozess werden auf Basis eines bestehenden Printprodukts mehrere digitale Werkzeuge entwickelt, die Informationen über Beratungsstellen, Angebote sowie rechtliche Rahmenbedingungen in niederschwelliger Form bereitstellen. Das Projekt strebt mehrere digitale Werkzeuge als Ergebnis an (offene Schnittstelle, mobile App, Web-Anwendung etc.), durch die Personen, die soziale Unterstützungsleistungen brauchen, Informationen über Beratungsstellen, Angebote und Voraussetzungen sowie rechtliche Rahmenbedingungen in möglichst flexibler und niederschwelliger Form erhalten.

 

Chancengerechte Digitalisierung konkret: Keynotes über Künstliche Intelligenz und Bedeutung von Diversität für Innovationsfähigkeit

 

Keynote: „Handlungsbedarf! Ungleichheit in Zeiten Künstlicher Intelligenz“ 

Martina Mara (Professorin für Roboterpsychologie am Linz Institute of Technology der Johannes Kepler Universität Linz)

Martina Mara ist Professorin für Roboterpsychologie an der Johannes Kepler Universität Linz und Mitgründerin der Initiative Digitalisierung Chancengerecht. Im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten befasst sie sich mit psychologischen Bedingungen für eine positive Gestaltung unserer Zukunft mit Künstlicher Intelligenz & Robotik.

In ihrer Keynote zeigte Martina Mara auf, dass Künstliche Intelligenz vielfach ein Spiegel der Gesellschaft ist und dass vor allem auch (geschlechter-) stereotype Denkschemata hier noch immer stark verhaftet sind. KI ist nicht „objektiv“ und wirkt vielfach diskriminierend. In ihrem Vortrag zeigt die KI-Expertin anhand von Beispielen aus der Praxis, dass KI-Systeme für unterschiedliche Personengruppen nicht gleich gut funktionieren und dass diese aufgrund ihres Geschlechts oder Alters sogar diskriminiert werden.

Als Beispiele zeigte sie neue Bildsynthese-Tools wie DALL-E Mini, die aus Wörtern oder Sätzen Bilder generieren. Diese KI-Programme interpretieren menschliche Sprache und übersetzen Texteingaben vollautomatisiert in „passende“ Visualisierungen. Untenstehende Bilder verdeutlichen über beispielhafte Anwendungen von DALL-E Mini, dass KI auch hier nicht neutral ist und ausschließlich Bilder von Männern als Wissenschaftler oder Informatik-Studenten generiert.

Sie verwies in ihrem Vortrag auch auf eine Studie des AI Now Institute New York, das einen Männeranteil von 80% bei den Studierenden in AI bzw. in MINT-Fächern festgestellt hat. Weiters sind nur 10% der KI-Forscher:innen bei Google weiblich und bloß jedes 14. Patent im IKT-Bereich wird von einer Frau erworben.

In ihrem Vortrag ging sie auch auf den Aspekt ein, dass lernende Systeme anhand von Datensätzen trainiert werden, in welchen mache Gruppen nicht oder nur unzureichend repräsentiert sind. Als Beispiel führt sie Gesichts- oder Spracherkennungssysteme an, die u.a. für ältere Personen oder „People of Colour“ nicht gut funktionieren. 

Abschließend fasst sie in ihrem Vortag wesentliche Handlungsansätze für die Gestaltung einer positiven Zukunft mit KI & Robotik zusammen: Wichtig ist hier unter anderem die Stärkung von AI Literacy bei benachteiligten Personengruppen, die Weiterentwicklung von Techniken zur AI Bias Mitigation, das bessere Kuratieren von Datensätzen, aus denen wir KI lernen lassen, Bewusstseinsbildung darüber, dass KI niemals „objektiv“ sein wird sowie die Förderung von interdisziplinären Forschungsprozessen und diversen Teams in der Technikentwicklung.

 

Impuls: Diversität entscheidet.

VREDE – ein Phasenmodell und ein Tool für Gruppenentscheidungen

Dorothea Erharter (Zentrum für Interaktion, Medien & soziale Diversität)

Dorothea Erharter ist Geschäftsführerin des Zentrums für Interaktion, Medien & soziale Diversität und Inhaberin der GUT Unternehmensberatung, die sich mit gendergerechter Technologieentwicklung befasst. Darüber hinaus ist sie Initiatorin des Projekts VREDE und hat zwei Arbeitsgruppen im Netzwerk Laura Bassi 4.0 ins Leben gerufen. Als Moderatorin und Mediatorin befasst sie sich auch intensiv mit der Methode des Systemischen Konsensierens.

Einleitend zeigte sie in ihrer Präsentation den Konnex von Innovation und Diversität auf. Innovationen sind zentral, um den Herausforderungen unserer Zeit, wie dem Klimawandel, begegnen zu können. Auch für Unternehmen ist Innovationsfähigkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor. Dabei spielt die Diversität der beteiligten Teams eine wichtige Rolle. Um dieses Innovationspotenzial zu heben, sind Gruppenprozesse gut zu managen und so zu moderieren, dass sich alle gleichermaßen einbringen können. Entscheidungsstrukturen bilden vielfach Machtverhältnisse ab. Partizipative Entscheidungsstrukturen sind auch ein Instrument von Diversity Management und ermöglichen Mitgestaltung und Chancengerechtigkeit.

Im Rahmen des Laura Bassi 4.0-Projekts VREDE - Visual Tool for Responsible Decisions wurde das VREDE-Phasenmodell für Gruppenentscheidungen entwickelt. Auf Basis dieses Phasenmodells wurden Leitfragen für die Moderation von Gruppen-Entscheidungen erarbeitet, die von Moderator:innen oder Berater:innen eingesetzt werden können. Darüber hinaus wurde ein digitales Tool zur Unterstützung von Gruppen- bzw. Teamentscheidungen entwickelt. Ein wichtiger Baustein dabei ist der Einsatz widerstandsbasierter Bewertungsmethoden zur Entscheidungsfindung, da sich diese sehr gut eignen, um zu gemeinsam getragenen Entscheidungen bzw. Lösungen zu gelangen. Das VREDE-Phasenmodel umfasst die fünf Phasen Synchronisieren, Kreativphase, Entscheiden, Darstellen und Reflektieren. Die Umsetzung in Templates für die ersten beiden Phasen ist bereits erfolgt.

"Die Grafik zeigt die 5 Stufen des VREDE-Phasenmodells für Gruppenentscheidungen. Das VREDE Phasenmodell umfasst fünf Hauptphasen. Synchronisieren: In dieser Phase finden sich alle Beteiligten an diesem Entscheidungsprozess in einem gemeinsamen Rahmen. Kreativphase: Die Teilnehmenden bearbeiten gemeinsam das Thema, entwickeln Verständnis füreinander und entwickeln bewertbare Vorschläge. Entscheiden: Eine gemeinsame Entscheidung wird getroffen. Darstellen: Die Entscheidung und der Entscheidungsprozess werden, mit Einverständnis der Teilnehmer:innen, zielgruppenspezifisch dargestellt. Reflektieren: Der Entscheidungsprozess und das Ergebnis werden zum Lernen genutzt und evaluiert."
Abbildung 20: VREDE - das Phasenmodell. Quelle: ÖGUT

Abbildung 20: VREDE - das Phasenmodell. Quelle: ÖGUT

 

Einsatzbereiche für das Tool sind komplexe Fragestellungen beispielsweise für strategische oder budgetäre Entscheidungen in Unternehmen aber auch Entscheidungen bezüglich der Ausgestaltung von Logos. Auch das Festlegen einer Agenda kann mit diesem Tool gut unterstützt werden. Im Anschluss hatten die Teilnehmer:innen Gelegenheit, das VREDE Tool anhand eines Praxisbeispiels auszuprobieren.

Zu den Vortragsunterlagen

Nähere Informationen auf der VREDE-Website sowie auf der FFG-Website.

 

Blick in die Zukunft

Im Rahmen des Programmpunktes „Blick in die Zukunft“ wurden zunächst folgende Fragen diskutiert: Welche Fragen zu chancengerechter Digitalisierung beschäftigen uns? Was wird in den kommenden zwei Jahren relevant? Und woran wollen wir im Netzwerk arbeiten?

Die eingebrachten Fragestellungen wurden gesammelt und priorisiert. Die für die Teilnehmenden relevantesten Fragen wurden anschließend in Kleingruppen diskutiert. Folgende Fragestellungen wurden zur weiteren Bearbeitung ausgewählt:

  1. Wie können konkrete Maßnahmen aussehen, die dazu beitragen, ausgegrenzte oder ausgrenzungsgefährdete Personengruppen digital zu empowern (digitale Kompetenzen, Bewusstsein)? 
  2. Wie kann man Chancengerechtigkeit in Bezug zur Digitalisierung bei den heutigen Generationen schon von Kindesalter weg (unabhängig vom Ausbildungsweg) gewährleisten? Wie kann man echte weibliche Role-Models schon kleinen Kindern (in Kindergärten, Volksschulen) zugänglich machen?
  3. Die Themenstellung für digitale Anwendungen ist meist komplex. Die Anwendung hingegen ist möglichst einfach. Wie schaffen wir es, die Komplexität nicht auf User:innen zu übertragen?
"Flipchart mit Ideensammlung zur Frage: „Wie kann man Chancengerechtigkeit in Bezug zur Digitalisierung bei den heutigen Generationen schon von Kindesalter weg (unabhängig vom Ausbildungsweg) gewährleisten? Wie kann man echte weibliche Role-Models schon kleinen Kindern (KIGA, VS) zugänglich machen?“"
Abbildung 22: Ideensammlung zu den Fragen. Quelle: ÖGUT

Abbildung 22: Ideensammlung zu den Fragen. Quelle: ÖGUT

 

Aus den Kleingruppen haben sich vor allem zahlreiche Anknüpfungspunkte an bestehende Arbeitsgruppen wie z. B. die Arbeitsgruppen „Technologiebildung“ und „Digitale Inklusion“ identifiziert.

 

Chancengerechte Digitalisierung konkret: Parallele Workshops, Werkstätten und Diskussionsrunden

Im Zuge der Workshops hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, noch tiefer in die Themen der Laura Bassi 4.0-Projekte und -Arbeitsgruppen einzutauchen.

 

Planspiel: „Cyber-Sicherheit"

Maria Leitner (Universität Wien, AIT Austrian Institute of Technology)

Stellen Sie sich vor Sie öffnen Ihren Laptop und nichts geht mehr. Im Rahmen des Workshops wurde ein interaktives Planspiel des Laura Bassi Forschungsprojekts „INDUCE – Cyber-Sicherheitskompetenz durch Cyber-Übungen" durchgeführt. Ziel war es, Sicherheitsfragen im Cyber-Space auszuloten und einen Blick in eigene Denk- und Verhaltensmuster zu werfen.

Im Zentrum des Workshops standen vor allem folgende Fragestellungen: Welche sind die Risiken im Umgang mit privaten und geschäftlichen Daten in der digitalisierten Welt? Wie gefährlich können Datendiebstähle werden? Wie können wir uns vor Cyber-Angriffen schützen?

Im Planspiel ging es vor allem um Bewusstseinsbildung – was kann mit unseren Daten passieren? Das inzwischen sehr realistische Szenario behandelte den Diebstahl und die Verschlüsselung von Daten sowie die Erpressung von „Lösegeld“. Die Diskussionen und auch die Wissensvermittlung in diesem interaktiven Workshop bezog sich stark auf die verschiedenen Möglichkeiten, wie man in so einem Szenario reagieren kann und wie man sich schützen kann. Zentrale Message: Regelmäßige Backups sind essenziell. 

Die Teilnehmenden diskutierten im Planspiel vor allem 3 Aspekte:

  1. Bezahlen oder nicht? Wollen wir unsere Daten um jeden Preis wieder? Was ist der Unterschied, ob es betriebliche oder private Daten sind? Was wäre, wenn sie einfach weg sind?
  2. Wer ist anzusprechen, wenn die eigenen Daten verschlüsselt oder gestohlen wurden und wir erpresst werden? An wen kann man sich in solchen Fällen wenden? Vertraute, Polizei, unternehmensinterne Stellen, Computer-Fachhandel …
  3. Wie groß ist das Risiko, als Privatperson Opfer einer solchen Daten-Erpressung zu werden? Wie hoch könnten dann die Lösegeldforderungen sein? Welche weiteren Szenarien sind dabei – auch in Zukunft – denkbar? 

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass Cybersicherheit ein vernachlässigtes Thema ist, es schnell passieren kann und jede:r betroffen sein kann. Viele sind schnell mit der Situation überfordert, wenn man Opfer einer Cyber-Erpressung wird.

Unterschiede zwischen Reaktion und Prävention: Wenn die eigenen Daten verloren/verschwunden sind, ist es oft schon zu spät. Daher muss vorausschauend und präventiv gehandelt werden, indem vorab schon Backups erstellt werden. Genau darum ist auch die Sensibilisierung (so wie in diesem Workshop) sehr wichtig. Diese muss präventiv und breitflächig passieren.

Wie kann diese Herausforderung gesellschaftlich gelöst werden? Wir können nicht darauf warten, dass sich alle individuell schützen. Nicht alle werden das können. Es braucht schon auch strukturelle Änderungen. Ein Beispiel sind auch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, die beim Autoverkehr eingeführt wurden: Sicherheitsgurt, Airbag, Kindersitz – niemand würde mehr auf die Idee kommen, Kleinkinder ohne entsprechenden Sitz mitzunehmen. Hier müssten wir auch digital nachrüsten und gegebenenfalls müssten auch gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden.

Außerdem war es ein Teil des Workshops, Feedback zum Planspiel einzuholen. Damit soll es weiterentwickelt werden und auch für verschiedene Zielgruppen angepasst werden. Im Rahmen des INDUCE-Projekts werden in Zukunft noch verschiedene Gruppen und Veranstaltungen besucht, um das Bewusstsein für Cyber-Sicherheit zu steigern.

 

Workshop: Warum Widerstand? Systemisches Konsensieren als Basis für VREDE

Dorothea Erharter (Zentrum für Interaktion, Medien & soziale Diversität)

Für Gruppenentscheidungen ist das Sichtbarmachen von Widerständen zu Vorschlägen zentral. Im Gegensatz zu Einzelentscheidungen ist man im Gruppenkontext ja meist auch mit Vorschlägen konfrontiert, gegen die man vielleicht Einwände hat. Bleiben diese unerkannt, bekommt man die Widerstände erst bei der Umsetzung zu spüren und hat „Sand im Getriebe".

Das Systemische Konsensieren ist eine Entscheidungsmethode für Gruppen, die konstruktiv mit Widerständen umgehen und ihr kreatives Potenzial zur Verbesserung der Vorschläge nutzen. Das Forschungsprojekt VREDE basiert auf dieser Methode. Im Workshop zeigte Dorothea Erharter, warum diese Methode für tragfähige Gruppenentscheidungen so bedeutend ist, und gab einen Einblick in die Vorgehensweise. Über systemisches Konsensieren trifft eine Gruppe jene Entscheidung, die die geringste Ablehnung und damit die größte Akzeptanz erfährt. Diese Form der Entscheidungsfindung – von den Beteiligten nicht die Zustimmung zu einem Vorschlag zu erfragen, sondern das Ausmaß des Widerstands – ermöglicht ein Ergebnis, das einem Konsens am nächsten kommt. Denn es wird für jede einzelne Lösung das Ausmaß des gesamten Widerstands der Gruppe ermittelt. Das Anwendungsfeld für diese Methode ist sehr breit. Sie kann für „einfache“ Entscheidungen in der Familie oder komplexere Entscheidungen in Unternehmen, Vereinen oder Interessensgemeinschaften eingesetzt werden. Im Rahmen des Workshops wurde die Entscheidungsfindung mit Systemischem Konsensieren in einer FoodCoop in Hinblick auf eine Sortimentserweiterung durchgespielt. Ein bekannter Anwendungsfall dieser Methode ist auch das Munderfinger Bür-ger:innenbeteiligungsmodell.

 

Ergebnispräsentation: „Pflegende Angehörige: die Schaffung digitaler Entlastungsangebote"

Michaela Greifeneder & Nicole Traxler (Two Next inclusion)

Im Innovationsnetzwerk werden unter Einbeziehung der Zielgruppe neuartige digitale Lösungskonzepte zur Entlastung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen entwickelt. Der Fokus der Innovation und Entwicklung liegt auf Entlastungsangeboten, die einen niederschwelligen Zugang für die Mehrheit an pflegenden Angehörigen ermöglichen und Ungleichheiten hinsichtlich Alter, Geschlecht, Herkunft, Stadt-Land-Gefälle, Beeinträchtigung, Bildungsgrad uvm. vermindern. Die entwickelten Lösungsansätze sollen als drei digitale Prototypen in bestehende Angebote einfließen oder eigenständige Produkte, Services oder Prozesse werden. Als erstes Ergebnis aus 2022 ist Lotta entstanden: Eine App, die lokale Netzwerke um die pflegebedürftige Person koordiniert, die Unterstützung auf mehrere Schultern verteilt und so die Belastung der Hauptbezugsperson vermindert. 2023 liegt der Fokus auf der Entlastung pflegender Eltern.

Das Projekt „LOTTA.“ stellt ein digitales Entlastungsangebot für die Angehörigenpflege auf Distanz dar. Ziel ist, bereits vorhandene soziale Netzwerke rund um Pflegebedürftige durch ein Tool zusammenzubringen und damit pflegenden Angehörigen die tägliche Organisation, auch auf Distanz, zu ermöglichen. Per App können Mitglieder im Netzwerk ein Gesuch oder auch Angebot online stellen, z.B. „Ich brauche jemanden, der mich zum Arzt fährt."

„Alles Cara“ steht kurz vor dem Launch im Juli 2022 und bietet eine Plattform, die pflegende Angehörige mit Expert:innen in einem virtuellen Raum verbindet, um alle anfallenden Fragen rund um Pflege, aber auch um psychische Anliegen zu klären. Ziel ist, neben der Entlastung der pflegenden Angehörigen auch alternative Arbeitszeiten für Berufs-Pfleger:innen zu schaffen, die sowohl zur körperlichen als auch zur psychischen Entlastung beitragen.

Zu den Präsentationsunterlagen

Zum Projekt auf der FFG-Website

 

Workshop „Frauen netzwerken"

Leider konnte dieser geplante Workshop am 23. Juni 2022 nicht stattfinden - nähere Information auf der netzwerker:innen-Website bzw. auf der FFG-Website.

#dienetzwerkerinnen sind ein Online-Frauennetzwerk, das seit November 2019 mit digitalen Tools für gemeinsame Lernprozesse experimentiert und Frauen in ihren täglichen Herausforderungen stärkt, und zwar flexibel, online, offen und situativ.

 

Abschlussrunde – was nimmst du vom heutigen Tag mit?

"Abschlussrunde"
Abbildung 26: Abschlussrunde. Quelle: ÖGUT

Abbildung 26: Abschlussrunde. Quelle: ÖGUT

 

Wortmeldungen aus der Abschlussrunde:

  • Vielen Dank für das Netzwerktreffen, ich nehme viel hochqualitative Netzwerktätigkeit mit. Es ist ein interessanter Kreis, in dem man auch manches ausprobieren kann – ein angenehmes „Testlabor“.
  • Ich nehme vieles vom heutigen Tag mit: Gute Gespräche sowie abwechslungsreiche und vielfältige Methoden. Ich habe einiges über die Arbeitsgruppen und Projekte erfahren – das ist das positive an Offline-Treffen.
  • Es war ein spannender Tag. Ich hätte mir mehr Zeit beim Marktplatz gewünscht, allerdings war der Austausch – auch in den Pausen – sehr interessant. Der Austausch zwischen den Arbeitsgruppen hat einen großen Mehrwert – besonders auch für Neuere im Netzwerk.
  • Wir lernen am besten und am meisten, indem wir mit anderen Menschen zusammenkommen und uns unterhalten. So kann vor allem Neues entstehen. Und so kann man viele Synergien entdecken, die man sonst nicht entdecken würde. 
  • Wir haben für unseren Inklusionsfragebogen Kontakte bekommen – das war für die AG wichtig. Ich habe auch Leute wieder getroffen, die ich schon kenne, und auch neue Leute kennen gelernt. Ich habe durch das Offline-Format sehr viel mitbekommen, das online so nicht funktioniert hätten. Ich will mich für die Organisation bedanken.
  • Das Netzwerk ist etwas Großartiges und es funktioniert dank Ihnen allen!

 

Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden für das erfolgreiche 4. Laura Bassi 4.0-Netzwerkforum. Wir freuen uns, Ihnen bereits das nächste Event im Rahmen des Netzwerkes ankündigen zu dürfen: 

Das 5. Laura Bassi 4.0-Netzwerkforum wird am 7. Oktober 2022 zum Thema „Soziale Inklusion“ stattfinden.